Schon kurz nach der Bekanntgabe des HSK kam es – statt zu dem befürchteten Hauen und Stechen – auch zu Solidarisierungen und zum Austausch zwischen den verschiedenen vom Totsparen betroffenen bzw. bedrohten Einrichtungen. Am Rande des 24-Stunden-Theaters Ende Januar sprach das Bündnis „WuppertalerInnen gegen das Totsparen“ – ein basta!Vorläufer – mit Heiner und Rosie vom Verein „Pro Mirke“ und Kulturschaffenden aus dem Theaterbereich. Der Verein „Pro Mirke“ kämpft für den Erhalt des Mirker Freibads und hat ein Konzept für einen ökologischen Umbau des hundertfünfzigjährigen Bürger- und Arbeiterbad entwickelt. Christian und Korinna[1] arbeiten als Kulturschaffende und wehren sich gegen die Kürzungspläne. Nicht nur gegen das Aus für das Schauspielhaus, denn sie wollen auch schwimmen gehen können, wenn sie gerade nicht auf der Bühne sind. Genau wie Heiner und Rosie in einer Stadt mit einem Theater leben wollen.
Frage: Wie ist derzeit eure Situation und der finanzielle Spielraum in euren Bereichen, und was befürchtet ihr wird mit dem Haushaltssicherungskonzept auf euch zukommen?
Christian: Die Wuppertaler Bühnen sollen nach dem HSK 2 Mio. Euro einsparen. Das sind 85 Prozent der Personalkosten; also müssen 40 bis 50 Mitarbeiter gefeuert werden. Ein Theater in Wuppertal wäre dann nicht mehr möglich – selbst dann nicht, wenn es nur auf Sparflamme laufen würde.
Korinna: Mir scheint, das Entscheidungskriterium für die geplanten Sparmaßnahmen war nicht so sehr, in welchen Bereichen sinnvoll viel Geld gespart werden könnte, sondern wo der geringste Widerstand zu erwartend war. An so vielen Ecken könnte eingespart werden, aber wen treffen die meisten Einsparungen? Die Kultur. Hier wird die Diskussion auch am emotionalsten geführt und über die Frage nach dem Wert der Kultur glatt übersehen, dass es hier noch um viel mehr, nämlich die Frage der Handlungskompetenz der betroffenen Städte geht – wir werden ja sonst faktisch aus Düsseldorf regiert.
Heiner: Um es deutlich zu sagen, es geht hier nicht um Einsparungen, es geht um Standortschließungen. Für das Schauspielhaus bedeutet eine Umsetzung der Pläne das Aus, und das ist bei den Schwimmbädern genauso.
Rosie: Für mich ist ein einziges Freibad für eine ganze Stadt wie Wuppertal unvorstellbar. Wir müssen schließlich auch bedenken, das Wuppertal geographisch sehr weitläufig ist. Wie sollen denn Leute aus Beyenburg nach Vohwinkel zum Frühschwimmen fahren? Da beklagen sich alle, dass die Kinder und Jugendlichen fast nur noch vor den Mattscheiben sitzen – und gleichzeitig werden die Bäder dichtgemacht. Die Jugendlichen können doch nirgendwo mehr hin.
Wenn dann beim Schwimmunterricht in den Schulen alle erstmal mit den Bussen quer durchs Tal fahren müssen, wird in Zukunft die eigentliche Schwimmzeit nur noch zehn Minuten betragen. Für manche Schulen wird der Schwimmunterricht ganz wegfallen. Das ist doch irre, deutsche Schüler können nicht schwimmen und die Schwimmbäder werden geschlossen!
Heiner: Freibäder sind wertvolle Orte des Zusammenkommens und der Freizeit, für Jugendliche genauso wie für ältere Menschen, die eine Stadt erst attraktiv und lebenswert machen. Jetzt werden Räume endgültig geschlossen, die auch Schutzräume sind, Räume der Begegnung, wo es Wiesenflächen gibt, auf denen mal ausnahmsweise keine Hunde herlaufen. Schwimmbäder und Sport im allgemeinen sind doch auch wichtige Elemente der Gesundheitsförderung. Die langfristigen Folgekosten, wenn man das aufgibt, sind sicher viel höher als die Einsparungen.
Aber es müssen eben auch attraktive Angebote gemacht werden, damit die Leute kommen. Die Schwimmkrake z.B., die wird von den Kids irrsinnig gut angenommen. Aber wenn die Finanzen so knapp sind, kann man eben nicht viel anbieten. Dabei müssten wir 1000x mehr attraktiv sein, um Jugendliche zu begeistern; das erreichen wir nicht nur durch Breite, sondern vor allem auch Spitzenqualität. Das Angebot muss einfach da sein, und es muss gut sein.
Leider haben wir jetzt schon viele Jugendliche an die Mattscheibe verloren. In der Vergangenheit wurden viel zu wenig Kinder und Jugendliche mitgenommen.
Rosie: Das stimmt so zumindest nicht für alle Projekte. Wenn ich z.B. an die Containeraktion denke (den Theatercontainer vor dem Schauspielhaus), das Angebot z.B. nimmt ziemlich viele junge Menschen mit.
Korinna: Nicht nur das, auch andere von der Schließung bedrohte Bildungsbereiche und Jugendarbeit sind wichtig. Es gibt in Wuppertal so viele Menschen mit verschiedenen Muttersprachen, und es hat sich gezeigt, dass gerade das Theater in der Lage ist, eine gemeinsame Kommunikation zu ermöglichen und diese Menschen zusammenzubringen.
Rosie: Wo wir bei Kommunikation sind: Das Stück „Kontakthof“ vom Tanztheater Pina Bausch, das mit Jugendlichen ab 14 Jahren einstudiert wurde, hat es sehr gut geschafft, Kinder zusammenzubringen und zu schulen, und jetzt ist das eine tolle Truppe. Die Kinder haben Spaß daran und finden zu mehr Selbstbewusstsein.
Christian: Das ist eben das Drama: Da gibt es ein paar ganz zarte Pflänzchen, neue Projekte, die richtig gut sind und angenommen werden und für die Stadt wichtig sind. Wenn das jetzt erstmal platt gemacht ist, kann man das in Zukunft nicht einfach wieder aufleben lassen. Dann gibt es so etwas einfach nicht mehr.
Deswegen dürfen die Schließungen einfach nicht stattfinden. Was hat die Stadt Jugendlichen denn dann noch zu bieten?!
Rosie: Die JVA!
Frage: Ist das die Zukunftsvision für Wuppertal, so düster?
Heiner: Das gerade ist nur der Anfang. Wer sagt denn, dass es nicht noch weiter geht mit den Sparmaßnahmen? Als erstes fallen kulturelle Einrichtungen und Schwimmbäder.
Korinna: Für mich geht es nicht nur um junge Leute; auch ich selbst will dann und wann ins Theater oder Schwimmbad gehen können. Ich bin vor Jahren nach Wuppertal gezogen und finde, dies ist eine wirklich lebenswerte Stadt. Bis jetzt. Und für mich gehört ein breites kulturelles Angebot zu einer lebenswerten Stadt dazu. Wenn nun genau daran gespart wird, dann überlege ich, ob ich nicht doch woanders wohnen soll.
Christian: Mir geht es da ähnlich. Ich gehe z.B. mit meinem Sohn im Sommer gerne in Mirker Freibad, das ist bei uns in der Nähe. Wenn das Bad geschlossen wird, kann ich nirgendwo mehr schwimmen gehen.
Frage: Welche Vorschläge habt ihr? Was müsste Wuppertal oder was müssten die WuppertalerInnen machen, damit es der Stadt besser geht?
Korinna: Investieren statt sparen. So macht man es doch, wenn man etwas erhalten will.
Rosie: Vor allem bei Bildung und Jugend.
Christian: Man kann doch beobachten, dass genau die Städte wachsen, wo die Kreativität sehr hoch ist. Wenn nur noch in Materie investiert wird, in Prestige- und Leuchtturmprojekte wie z.B. in den Döppersberg, dann nützt das einer Stadt nichts. Es wird jetzt ein prächtiges neues Tor zur Stadt gebaut, aber hinter diesem prächtigen Tor ist nur noch eine arme, leblose Stadt.
Korinna: Eigentlich habe ich gegen ein prächtiges Tor nichts einzuwenden, aber das ist ja ein Witz, wenn nichts dahinter ist.
Heiner: Es ist ja nicht so, dass die WuppertalerInnen alle so arm wären. Wir geben viel Geld aus. Es wäre wichtig, dass die Menschen in Wuppertal, denen es etwas besser geht, dass die sich mit ihrer Stadt solidarisieren und identifizieren. Leider geht die Solidarität hier den Bach runter.
Korinna: Ja, das finde ich auch. Aber das Problem ist, dass die Politik, statt unterstützend zu sein, einem Bürgerengagement eher Steine in den Weg legt, wie im Fall der Fahrradtrasse zu sehen war. Die KommunalpolitikerInnen arbeiten da nicht für uns, aber sie müssten für uns arbeiten, sie sind für uns da, nicht umgekehrt; sie sind die gewählten Vertreter unserer Interessen. Gerade jetzt müssten sie durchsetzten, dass z.B. der Solibeitrag für den Aufbau Ost, für den Wuppertal Schulden macht und Zinsen zahlt, nicht weiter bezahlt wird. Vielleicht brauchen die Kommunalpolitiker sogar mehr Druck von unten, damit die glaubhaft an nächst höherer Stelle vermitteln können, dass es so nicht weitergeht.
Christian: Was das Theater angeht, ich finde schon, dass es sehr viel Solidarität unter den Wuppertalern gibt. Die Menschen hier solidarisieren sich sehr stark mit uns, manche sind heute aus Solidarität hier, die waren seit zehn Jahren nicht im Theater. Das baut auf jeden Fall Druck auf.
Rosie: Ja, aber wenn dann der Arbeitgeber oder die Stadtspitze sagt: `Ihr werdet euch nicht an Protesten beteiligen´ – dann wird’s schwierig. Einerseits wird uns gesagt, wir sollen protestieren, aber wenn es dann gegen die Sparpläne der Stadt geht, dann dürfen wir doch nicht.
Heiner: Deshalb halte ich es für wichtig, dass wir uns mehr vernetzten. Wir müssen auch untereinander solidarisch sein und uns gegenseitig unterstützen.
Christian: Vor allem dürfen wir uns nicht auseinanderdividieren und gegeneinander ausspielen lassen. Ganz wichtig ist mir, dass es eine Solidarität auch mit anderen bedrohten Einrichtungen gibt, die vielleicht weniger im Blickpunkt sind.
Heiner: Wobei ich schon der Meinung bin, dass wir schon auch sparen sollten und auch in der Lage sind, in verschiedenen Stellen sparsamer und effektiver zu sein. Da muss man eben kreativ werden, sich gesundschrumpfen, wo es sich anbietet. Was aber meiner Auffassung nach gar nicht geht ist, Einrichtungen einfach zu schließen..
Rosie: Na ja, tatsächlich ist es ja so dass sowieso immer an den falschen Stellen gespart wird. Ich denke, wir müssen vom Stadtrat verlangen, mit dem Nonsens aufzuhören und sich dem HSK einfach zu verweigern.
Korinna: Wichtig ist jedenfalls, dass wir uns jetzt wehren, dass die Menschen endlich merken, es brennt! und wer jetzt nicht aufsteht, hat verloren.
[1] Namen geändert und der Redaktion bekannt