Veranstaltungshinweis: Nischensounds

Wenn Tanzmusik und Dancefloorsounds überhaupt noch etwas mit “underground” zu tun haben, dann werden die Entwicklungen in Europa dazu häufig noch immer in England angestossen, wo sich verschiedenste soziale und ethnische Communities gegenseitig immer wieder neu beeinflussen. Die Sounds und die Partynächte, die dabei entstehen, haben immer noch zunächst etwas mit Selbstvergewisserung zu tun. Die kommerzielle Formatierung erfolgt vielfach erst später und wird oft auch entscheidend auf dem Kontinent betrieben.

Viele der musikalischen Entwicklungen, die in Bristol oder Leeds, in London oder Manchester neu zusammengemixt werden, erreichen die hiesige Szene allerdings erst gar nicht, weil sie zu der mittlerweile vollkommen durchkommerzialisierten Welt der Lifestyle-Clubs und in der pseudo-glitzernden Welt von hilflosen Möchtegernsternchen, die die Wahrnehmung mehr und mehr prägen, schlicht inkompatibel sind.

Techno und House, die in den Neunzigern noch entscheidend aus Deutschland, namentlich aus Berlin oder Frankfurt, mitgeprägt wurden, haben im Ergebnis dazu geführt, dass eine Neudefinition von Party stattgefunden hat, die wenig bis nichts mehr mit jenem Phänomen zu tun hat, das einen eigenen, selbstbestimmten Standort vermittelt. Identifikationsstiftung findet nicht mehr in eroberten Räumen und durch selbstorganisierte Erlebnisse statt – sie wird zumeist unkritisch über von aussen definierte Raster erzeugt. Die kommerziellen Eckpunkte dieser Raster finden sich Form von aufgepappten Firmen- und Markenlogos inzwischen beinahe auf jedem Party-Flyer.

Während auf der einen Seite die Berichterstattung über scheinbar ausgelassen feiernde “Partypeople”, die sich in immer grösseren Clubs von immer unverschämter bezahlten Stars einer abgefuckten DJ-Szene bei teuren Modecocktails beschallen und bespassen lassen, in den Mainstreammedien längst angekommen ist, sind gleichzeitig die Möglichkeiten in den Städten Nischen zu öffnen und selbstorganisiert gemeinsam zu feiern, immer weiter eingeschränkt worden. Restriktive Vorschriften und behördliche Schikanen reduzieren die Räume für Wildwuchs, für Experimente und auch für radikalere Sounds. Auch in Wuppertal konzentriert sich die Szene normalerweise auf die alteingesessenen und strikt komerziellen Angebote – von wenigen Ausnahmen – etwa im AZ oder im Trassentunnel – einmal abgesehen.

Umso dankbarer muss man sein, wenn ein alteingesessener Laden wie das Café ADA in der unteren Wiesenstrasse für eine Nacht eine Etage für struppige Musik öffnet – auch in der Gewissheit, dass die statfindende Veranstaltung wahrscheinlich keinen Gewinn abwerfen wird. Jede Nische, in der man das zu hören bekommt, was anderswo Rahmen sprengt, ist wichtig. Wichtig für ein Überleben des eigentlich widerständigen Charakters selbstorganisierter und unkommerzieller Vergnügen und für das Überleben nicht domestizierbarer Sounds.

Morgen Abend ist es wieder einmal soweit. VEB Dubstep präsentieren in der ersten Etage des ADA den vor etwa zehn Jahren in Süd-London entstandenen, oftmals minimalistisch hypnotischen und manchmal auch düster klingenden Sound, dessen massive Betonung tiefer Bassfrequenzen jede Anlage an den Rand des Zusammenbruchs bringt und jeden Versuch, ihn bei der nächsten “Ibiza-Strandparty” zu integieren, zum Scheitern verurteilen muss.

Die drei Musikverantwortlichen der “Radikal Interdisziplinären Dorfdisko”, die allesamt schon seit Jahrzehnten die verschiedenen Entwicklungen neuzeitlicher Tanzmusik begleiten, werden auch morgen Nacht wieder im intimen Rahmen ihrer “Dorfdisko” ohne nerviges spektakuläres Gehabe unter dem Label “Dubstep” umso spektakulärere Geräusche aus ihrem Fundus holen. Dabei beschreibt dieses Label  inzwischen ein weites musikalisches Feld. Nachdem Dubstep anfänglich zunächst ausschliesslich Einflüsse wie 2 Step, Garage, Dub und House vermischte, ist die Entwicklung heute längst weitergegangen. Einige Protagonisten der Szene haben Electronika und Krautrock entdeckt – die Tanzbarkeit der einzelnen Tracks steht nicht mehr zu jeder Zeit im Mittelpunkt. So ergeben sich zunehmend spannende Crossovers zu Avantgarde- oder Ambient-Sounds.

R.I.D. vol.03 im Café ADA (obere Etage, Eingang rechts), Wiesenstrasse 6, Wuppertal-Elberfeld.
Ab 2200 Uhr, Unkostenbeitrag: 3,-Euro • Hinweis im UMLOG dazu

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