Anarchist, Bankräuber, Fälscher, aber vor allem … Maurer.
Film und Buchvorstellung zum Leben des spanischen Anarchisten Lucio Urtubia
Montag, 16.08., ab 19.30 Uhr: „ BASTA–Themenabend im Open-Air Kino „Talflimmern“ in der „Alten Feuerwache“ an Gathe in Wuppertal-Elberfeld – Diskussion und Film – Eintritt frei
Veranstaltung mit Alix Arnold (Köln)
Sozialrebell, Geldfälscher, Bandit, moderner Robin Hood – die Liste der Titel, mit denen Lucio Urtubia beehrt wurde, ist lang. Sein Leben, das wie ein Abenteuerroman klingt, ist ein Spiegel der revolutionären Bewegungen Europas in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Lucio Urtubia wird 1931 in einem kleinen Dorf in Navarra geboren und wächst unter ärmlichen Verhältnissen auf. Als er zum Militär eingezogen wird, desertiert er wenig später nach Frankreich, wo er fortan als Maurer arbeitet. Er bekommt Kontakt zu anarchistischen Gruppen und lernt seinen politischen Ziehvater kennen: den legendären Sabaté, der von Frankreich aus den bewaffneten Widerstand gegen die Franco-Diktatur organisiert. Fälschen von Dokumenten, Verstecken von Untergrundkämpfern und illegale Geldbeschaffungsaktionen spielen fortan in seinem Leben eine erhebliche Rolle. Zahlreiche Widerstandsorganisationen, die in Frankreich eine Operationsbasis haben oder einen Rückzugsraum suchen, profitieren von seinen Fertigkeiten: Black Panthers, Tupamaros, europäische Guerillas.
Jedem Akt der Revolte, der auf eine gerechtere Gesellschaftsordnung zielt, gilt Lucios Solidarität. Die Liste seiner Aktivitäten ist damit nicht erschöpft. Doch Lucio ist auch ein Meister der Konspiration, dem in seinem nicht gerade gesetzestreuen Leben das Kunststück gelingt, nur ein paar Monate im Gefängnis zu verbringen. Erst mit weit über 70 Jahren bricht er das Schweigen. Lucio Urtubia hat Banken überfallen,um mit dem Geld Gefangene der Franco-Diktatur in Spanien zu unterstützen. Er fälschte Ausweise für die spanischen Flüchtlinge in Frankreich. Später wurden in seinen Fälscherwerkstätten Schecks und Papiere verschiedenster Länder gedruckt. Diese Dokumente und das so beschaffte Geld kamen revolutionären Bewegungen in Europa,Lateinamerika und den USA zugute. Während Lucio eine untergründige Infrastruktur weltweiter Solidarität aufbaute, lebte er selbst unauffällig und bescheiden in Paris. Seinen Lebensunterhalt verdiente er mit der Maurerkelle auf dem Bau, wo er jeden Morgen pünktlich erschien. Nur wenige Menschen wussten von seinen nächtlichen Aktivitäten, und die Verfolgungsbehörden trauten dem einfachen Arbeiter und Migranten derart ausgeklügelte Aktionen lange Zeit nicht zu. So musste Lucio trotz der beeindruckenden Serie von Gesetzesbrüchen nur relativ wenig Zeit in Gefängnissen verbringen. Eine der größten Banken der Welt zwang er in die Knie: Angesichts der Masse perfekt gefälschter Traveller Checks, die an allen Enden der Welt auftauchten, nahm die First National City Bank Verhandlungen mit Lucio Urtubia auf und verzichtete gegen Herausgabe der Druckplatten auf eine Strafverfolgung.
Lucio hat sein ganzes Leben dem Kampf für die Freiheit gewidmet und ist seinen Überzeugungen bis heute treu geblieben. Glücklicherweise hat er sich im Ruhestandsalter doch noch entschlossen, seine Abenteuer öffentlich zu erzählen. Der Dokumentarfilm und die Autobiografie lassen uns an diesem ungewöhnlichen Leben teilnehmen. Lucio ist inzwischen unermüdlich auf Reisen, um seine Erfahrungen und Überzeugungen auf Veranstaltungen weiterzugeben. Ihn kennenzulernen ist ein Privileg, das Mut macht. Sein Motto „An nichts glauben und doch alles für möglich halten“ untermauert er mit unzähligen Geschichten, die beweisen, dass man selbst in scheinbar völlig aussichtslosen und verlorenen Situationen immer noch irgendetwas tun kann. Solidarität mit den Unterdrückten und Verfolgten ist für ihn, der selbstbitterste Armut erleben musste, eine Selbstverständlichkeit. Er macht immer wieder klar, dass all die Arbeit und Anstrengungen für ihn kein Opfer waren. Ganz im Gegenteil: Sein Leben „für die Sache“ betrachtet er als großen Reichtum. Leben heißt für Lucio Arbeit,kreatives Schaffen, Aktion. Bis zu seinem 72. Lebensjahr hat er auf dem Bau gearbeitet, zunächst für verschiedene Unternehmen und später, nach dem gescheiterten Versuch, mit einigen Compañeros eine Kooperative aufzubauen, in seinem eigenen Betrieb. Es war ihm immer wichtig, seinen Lebensunterhalt als Arbeiter zu verdienen. Das viele Geld, das er auf illegalen Wegen beschaffte, war für die Solidarität bestimmt, nicht für private Zwecke. In Bellville in Paris hat Lucio in den neunziger Jahren ein heruntergekommenes Gebäude in der Rue des Cascades gekauft und zu einem kleinen Kulturzentrum ausgebaut(weitgehend mit „beschafftem“ Material). Er und seine Genossin Anne wohnen hier, und ein großer Raum im Erdgeschoss bietet Platz für Veranstaltungen, Ausstellungen und Versammlungen. Die Tür steht – wie Lucio betont – allen offen. Dem Zentrum hat er den Namen Espace Louise Michel gegeben, in Erinnerung an die große Anarchistin der Pariser Kommune. Sie und Buenaventura Durruti sind Lucios liebste Vorbilder. Über der Tür steht „Le Temps des Cerises“ und am Giebel Sustraiak – baskisch für Wurzeln.