Im April des inzwischen vergangenen letzten Jahres forderten sechzig Remscheider Flüchtlinge die Auflösung der städtischen Sammelunterkünfte und das Recht auf würdigen Wohnraum (dokumentiert unter http://basta-wuppertal.de/?s=remscheid). Anlässlich des 4.Todestags des jungen Flüchtlings Mohammad Sillah aus Remscheid findet eine Bündnisdemonstration statt, zu der auch basta! wuppertal aufruft. Wir dokumentieren den Aufruf der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen:
DEMO IN GEDENKEN AN MOHAMMAD SILLAH
Freitag, 14. Januar 2011 – Remscheid Hauptbahnhof
ab 16:00 Uhr Kundgebung – 17:00Uhr Beginn Demonstration
für freien Zugang zu Gesundheitsversorgung
für die Schließung aller Sammelunterkünfte und Isolationslager
Anlässlich des vierten Todestages von Mohammad Sillah gedenken wir aller Opfer der deutschen Flüchtlingspolitik.
Mohammad Sillah, ein junger Flüchtling aus Guinea, starb am 14. Januar 2007 im Alter von 23 Jahren. Er war Singer-Songwriter und gab Konzerte in Guinea wie auch in Deutschland. Ein Freund von ihm sagt: „ Seine Musik ist afrikanische Kultur. Überall, wo ich sie gehört habe, habe ich gesagt, diese Musik bin ich. Von da komme ich her.“
Anfang Januar 2007 litt Mohammad Sillah unter heftigen Schmerzen. Er ging zum Arzt. Dieser forderte ihn auf, sich zuerst beim zuständigen Sozialamt einen Krankenschein geben zu lassen. Der Mitarbeiter des Sozialamts gab ihm keinen Krankenschein, weil er sowieso das Land verlassen müsse.
Einige Tage später, am 11. Januar wurden die Schmerzen unerträglich. Mohammad Sillah ging zum Hausmeister des Flüchtlingsheims und bat ihn, einen Krankenwagen zu rufen. Der sagte: „Wenn du schon die Treppen geschafft hast, kannst du auch alleine ins Krankenhaus gehen.“ Ein afrikanischer Flüchtling, der im selben Heim wohnte, begleitete Mohammad. Unterwegs brach Mohammad zusammen und wurde von seinem Mitbewohner auf den Schultern zum nahen Krankenhaus getragen. Drei Tage später wurde Mohammad nach Essen in einer Klinik verlegt, wo er starb.
Der Remscheider Sozialdezernent B. Mast-Weisz bekundete anschließend Mitleid mit der Familie und versicherte, Mohammed sei niemals ein Krankenschein verweigert worden. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal nimmt die Untersuchungen auf; später werden die Akten beiseite gelegt. Wenige Monate nach Mohammads Tod findet im Oktober 2007 eine Polizeirazzia statt, um die protestierenden Flüchtlinge einzuschüchtern und sie zu kriminalisieren. Die Großrazzia wird von den Gerichten später als rechtswidrig eingestuft.
Anlässlich des vierten Todestages von Mohammad Sillah wollen wir auf die Situation der Flüchtlinge in Remscheid und vor allem auf die gesundheitliche Unterversorgung hinweisen. Wir wollen den Protest der Remscheider Flüchtlinge würdigen und stärken. Seit Mohammad Sillahs Tod haben sie durch kontinuierlichen und hartnäckigen Protest stückweise ihre Isolation durchbrochen und Erfolge erzielt.
Wir haben in den vergangenen Jahren hier in Remscheid erlebt, dass der Zusammenhalt der Flüchtlinge die Stadtverwaltung Remscheid dazu brachte, einige ihrer Zermürbungsinstrumente zurückzunehmen. So wurde durch den ersten offenen Brief der Flüchtlinge vom Januar 2009 die menschenverachtende Praxis des Sozialamtes Remscheid für die Öffentlichkeit sichtbar.
Der Stadtdirektor Mast-Weisz hat danach ein paar Lockerungen beschlossen: Die Anwesenheitskontrollen finden nicht mehr täglich sondern wöchentlich statt, „im Regelfall“ gibt es Bargeld statt Gutscheine und Krankenscheine für drei Monate.
Trotzdem geht die Ausgrenzung und auch die gesundheitliche Unterversorgung in Remscheid weiter. Viele können nicht den Arzt aufsuchen, den sie brauchen; psychisch kranke Menschen werden allein gelassen und sind von ihren Nachbarn im Flüchtlingsheim abhängig; immer noch weigern Hausmeister sich, in Notfällen einen Krankenwagen zu rufen. Das Lagerleben und das Arbeitsverbot machen die Menschen zusätzlich krank.
Auf unserem Weg haben wir gesehen, dass wir durch Austausch, gegenseitige Unterstützung und Diskussionen die Lösungen für morgen entwickeln können. Dies gilt nicht nur im Kampf für unsere Rechte als Flüchtlinge und MigrantInnen. Unser Widerstand ist auch notwendig gegen den brutalen Abbau der Sozialleistungen, der Gesundheitsversorgung und unserer Rechte als Arbeiterinnen, Schüler, Auszubildende, Studierende, Rentnerinnen, Frauen und Männer. Wir fordern alle auf, aktiv gegen Ausschluss und Erniedrigung von Menschen einzutreten und den Kampf der Flüchtlinge für ihre Würde und für das Recht auf Leben zu unterstützen.
In Gedenken an Mohammad Sillah, Oury Jalloh und alle Opfer der rassistischen Staatsgewalt! Der Spaltung der Gesellschaft von oben setzen wir Solidarität und Zusammenhalt entgegen! Für eine Gesellschaft ohne Rassismus, Ausbeutung und Kriege!
Es rufen auf: Antifaschistische Jugend Bochum, Autonome Antifa Remscheid, Antifa Velbert, basta! Wuppertal, Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen (Remscheid + Wuppertal), Transnationales Aktionsbündnis Bochum/Dortmund