Überheblichkeit im Stadtrat

Rat der Stadt Wuppertal stimmt gegen eine Aussetzung der Sanktionen bei der ARGE, stattdessen Überheblichkeit, Unwissenheit und Schönfärberei bei den Mehrheitsfraktionen.

Das unter der damaligen rot/grünen Bundesregierung beschlossene Sozialgesetzbuch II (“Hartz IV”) sieht  harsche Sanktionen bei Verstößen gegen “Mitwirkungspflichten” vor. So sind u.U. auch Kürzungen von 30% bereits bei einem ersten Verstoß vorgesehen, oder bei jungen Menschen unter 25 Jahren sofort die komplette Streichung des Regelsatzes.

Die Ratsfraktion der LINKEN stellte nun im Stadtrat den Antrag, dass sich der Rat für ein Sanktionsmoratorium einsetzen solle, d.h. für eine Aussetzung der Sanktionen – und zwar bis zu einer Neuregelung des Gesetzes, die ohnehin bis Ende des Jahres erfolgen muss. Begründet wurde die Forderung u.A. mit der Kritik des Bundesverfassungsgerichtes an der Berechnung der Regelsätze im Urteil vom 09.02.10 und mit den Ausführungen des Gerichtes zur staatlichen Verpflichtung zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.

Wer in der Ratssitzung am 17.05. eine differenzierte Diskussion des heiklen Themas erwartete, sah sich getäuscht. Der Antrag wurde in Teils haarsträubenden Redebeiträgen -auch ausdrücklich- als “dummes Zeug” abgetan. Zunächst verwies Sozialdezernent Dr. Kühn auf das “aufsuchende Fallmanagement” der ARGE. Man traue sich auch zu, alle “behandlungsnotwendig” (psychisch) Erkrankten zu erkennen. Leider verschwieg er, dass das “Mobile Fallmanagement” vor einer Sanktionierung nicht verpflichtend einzuschalten ist und oft auch nur als besserer Briefzustelldienst fungiert.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Reese hielt sich mit solchen Feinheiten nicht weiter auf, er fand es “unerhört”, wie versucht werde einen Zusammenhang herzustellen zwischen Existenzminimum und den Sanktionen. (Durch die aber nun gerade das Existenzminimum vorenthalten wird.) Von weiter rechts kam dann auch schon der “Einwand”, dass “Töne angeschlagen werden” die (verklausuliert:) an die DDR erinnerten (!), was leider nicht näher begründet und auch nicht weiter hinterfragt wurde. Zu offensichtlich war wohl die tumbe Absicht des Beleidigen-Wollens, der Verächtlich-Machung.

Schon ging es weiter zum nächsten Tiefpunkt; ein Ratsmitglied argumentierte: “Die Betroffenen haben es ja selber in der Hand, ob sanktioniert wird”, dabei jedoch übersehend, dass man mit einer solch brillanten Logik jedes Strafmaß verteidigen könnte. (Einfach mal “sanktioniert”, durch “exekutiert” ersetzen …) Man hofft inständig, dass sich die Stadtverordneten bei der Entscheidungsfindung  nicht regelmäßig auf diesem intellektuellen Niveau bewegen.

Gut meinte es wohl der Herr, der einwandte, die Verwaltung helfe doch erst mal Allen und Sanktionen würden nur als “allerletztes Mittel” eingesetzt. Tja, sehr nett, aber leider stimmt dies weder mit der Gesetzeslage, noch mit der Praxis überein.

Sich selbst in die Tasche lügen, gespielte Empörung, logische Fehlschlüsse und zweifelhafte rethorische Leistungen prägten also das Bild. Erschreckend welches Maß an Unkenntnis dabei deutlich wurde. Und dass sich die zum Teil jüngeren SPD-HinterbänklerInnen von den Argument-Plazebos (oder wovon?) beeindrucken ließen. Von einer “Erneuerung” der SPD – im Wuppertaler Stadtrat jedenfalls keine Spur.

Hat wenigstens der Oberbürgermeister zur Versachlichung beigetragen, wurde er seinem “sozialen Image” gerecht? Nein, leider überhaupt nicht, im Gegenteil: Er setzte dem Ganzen schließlich noch ein fauliges Sahnehäubchen auf. Der Stadtverordnete Zielezinski (LINKE) wies auf die zahlreichen UnterzeichnerInnen des Aufrufs, des “Bündnisses für ein Sanktionsmoratorium” hin, u.A. Dr. Hermann Scheer MdB (SPD, Träger des Alternativen Nobelpreises), Franziska Drohsel (Juso-Bundesvorsitzende), Frank Bsirske (ver.di-Vorsitzender), beispielhaft für zahlreiche Persönlichkeiten aus Gewerkschaften, Politik, Wissenschaft und Kirche. Er griff unter diesem Aspekt die zuvor gefallene Bemerkung vom “dummen Zeug” ironisch auf, was OB Jung zu der Äußerung veranlasste, das hätte er (Zielezinski) “nun selber schön gesagt”, da müsse man Nichts mehr hinzufügen – und diese arrogante Unartigkeit bildete dann quasi das Schlusswort.

So warf dieser Tagesordnungspunkt, eine eigentlich kurze Episode, ein bezeichnendes Schlaglicht auf diesen Stadtrat: Erschreckend wie selbstherrlich und abkanzelnd sich manche Platzhirsche aufführen, erschreckend das Niveau der Diskussion, erschreckend die Unkenntnis und die Gleichgültigkeit gegenüber einem Anliegen, das ganz entscheidend mit der Lebensrealität von sehr vielen BürgerInnen dieser Stadt zu tun hat.

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  1. Rat der Stadt stimmt gegen eine Aussetzung der Sanktionen bei der ARGE – stattdessen Überheblichkeit…

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