Abgehauen. Abgeordnet. Abgestürzt.

Rüttgers macht das, was ihm in Wuppertal am Mittwoch geraten wurde: Er haut ab. basta! hat mit Gunhild Böth eine aktive Unterstützerin im Landtag. CDU stürzt im Tal auf historisches SPD-Tief. SPD verliert ebenfalls. Wuppertal II eine der drei linken Hochburgen in NRW. Die Wahl in Wuppertal in Kürze.

Als der Ministerpräsident des Landes, Jürgen Rüttgers, am letzten Mittwoch zusammen mit Angela Merkel, Roland Koch, Peter Jung und Ole von Beust einen denkwürdigen Wahlkampfauftritt in Barmen absolvierte, rieten ihm viele Wuppertaler laut und gut vernehmbar “abzuhauen”. An dem Abend, an dem das Desaster der CDU schliesslich landesweit vollendet wurde, das sich während des reichlich misslungenen Spektakels auf dem Rathausvorplatz bereits angedeutet hatte, machte der Spitzenkandidat der Union genau das: Er haute einfach in den Sack. Kein Auftritt bei der TV-Runde, keine Interviews, keine Durchhalteparolen. Er hat verloren, seine Partei hat verloren. Vor der endgültigen Feststellung der Niederlage liegt noch Köln. Ausgerechnet. Ganz NRW ist ausgezählt, nur Köln fehlt auch noch weit nach Mitternacht. Am voraussichtlichen Patt der jeweils -mit Grüne-Koalition wird aber auch Köln wohl nichts ändern. Lernen sollte man, dass laute “Hau ab!”-Rufe offenbar nicht nutzlos sind. [Update: Endergebnis in den Kommentaren]

Anderes steht jedoch inzwischen endgültig fest. Zum Beispiel, dass mit Gunhild Böth von der LINKEN eine ausgewiesene basta!-Aktivistin als Abgeordnete in das Düsseldorfer Landes-Parlament einziehen wird. Ihr Listenplatz reicht locker aus, um aus dem Stadtrat in den Landtag zu wechseln. Unser ehrlicher Glückwunsch dazu. Damit reicht unser “parlamentarischer Arm” also schon bis D-Dorf. Es geht voran. Hoffen wir, dass ihre neuen Aufgaben ihr die Zeit dazu lassen, sich auch weiter beí uns einzubringen, und dass sie ihre neuen Möglichkeiten sinnvoller für Wuppertal einsetzen wird, als so manche ihrer Kollegen aus den anderen Parteien vor ihr. Die hatten oft schneller vergessen, aus welcher Stadt sie nach D-dorf oder Berlin geschickt worden waren, als sie “Wuppertal” sagen konnten. Aber wir sind da zuversichtlich.

Fest steht ebenfalls, dass alle Befürchtungen, die Wuppertaler würden nix merken, unsinnig waren. Das Wahlergebnis der Stadt ist für beide grossen Parteien, die in Wuppertal gemeinsam regieren, niederschmetternd. Die CDU schafft es glatt, auf das Niveau abzustürzen, das vor wenigen Monaten reichte, der SPD zu bescheinigen, in alle Einzelteile zerlegt worden zu sein – das SPD-Ergebnis der Bundestagswahl 2009: 27,19%, das CDU-Ergebnis der aktuellen Landtagswahl: 28,13%. Dass das gleichzeitig das schlechteste Ergebnis der CDU aller Zeiten in Wuppertal sein müsste, liess sich zwar auf die Schnelle nicht belegen, es würde aber mächtig wundern, wäre es anders.

Das katastrophale CDU-Ergebnis zeigt vor allem auch eins: Die Kommunalwahl im letzten Jahr wurde von der CDU und Oberbürgermeister Peter Jung nur gewonnen, weil die Pläne zum Kaputtsparen der Stadt bis nach dem Wahltermin geheimgehalten wurden. Die Wiederwahl von Peter Jung Ende August 2009 basierte auf einer dreisten Wählertäuschung. Die 28,13% von heute sind auch dafür eine Quittung. Peter Jung sollte sich ein Vorbild an Jürgen Rüttgers nehmen. Die Wuppertaler sind jedoch klug genug, nun nicht in Scharen zur alten Tante SPD überzulaufen. Zwar konnte sich die SPD im Vergleich zur Bundestagswahl verbessern, im Vergleich zur letzten Landtagswahl 2005 – bei der das üble Sozi-Ergebnis immerhin dazu reichte, dass Gerhard Schröder und Franz Müntefering vor laufenden Kameras politisches Seppuku begingen – verlor die Wuppertaler SPD jedoch nochmals 2,75% der Stimmen. Eigentlich sehen Wahlsieger anders aus.

Gewinner des Wahltages in Wuppertal waren vielmehr die Grünen und die LINKE, die zum Teil herausragende Ergebnisse erzielen konnten. Die Grünen sind mittlerweile in Wuppertal halb so stark wie die örtliche CDU, und die LINKE erreicht nicht nur in einzelnen Wahlbezirken bis zu 20% der Stimmen, sie stellt darüberhinaus mit dem Wahlkreis Wuppertal II (Elberfeld, Nordstadt und Uellendahl) auch eine der drei Landeshochburgen. Nur in Duisburg III und Bielefeld I war die Partei noch erfolgreicher. Auf dem Ölberg und am Ostersbaum gaben jeweils zwischen 30 und 35% der Wähler ihre Stimmen den Grünen oder der LINKEN – und zusammen mit der SPD erreichen hier die Parteien jenseits der alten schwarz-gelben Koalition sogar zwischen 70 und 80%. Auch die immerhin 2.000 Wähler, die ungültige Stimmzettel abgaben, sind interessant. Zieht man den Mittelwert von Vollidioten ab, denen ein Stimmzettel tatsächlich zu kompliziert ist, bleibt noch immer eine veritable Zahl potentieller Anarchisten übrig, denen ein “enziges grosses Kreuz” gereicht hat.

P.S.: Köln ist jetzt tatsächlich auch ausgezählt. Vier der sieben Wahlkreise gingen an den SPD-Kandidaten. Die letzten Zahlen der ARD sehen jedoch jetzt wieder die CDU mit 0,1% vor den Sozialdemokraten. Verstehe das wer will.

P.P.S.: basta! wird sich auf seiner vierten offenen Protestversammlung gegen das Totsparen und für das Recht auf Stadt am Dienstag um 18 Uhr im Café Stil-Bruch mit dem Ergebnis der NRW-Wahl und seiner möglichen Bedeutung für die Stadt und unsere weitere Arbeit befassen. Hierzu sind alle eingeladen. (Café Stilbruch, Marienstr. 58)

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  1. redaktion sagt:

    Das vorläufige amtliche Endergebnis liegt jetzt vor. Demnach hat die CDU tatsächlich noch 6.200 Stimmen mehr geholt als die SPD. In Prozent: 34,6 zu 34,5. Beide Parteien 67 Sitze, die Grünen 23, die FDP 13, die LINKE 11. Eine grosse Koalition ist damit wahrscheinlich. Unwahrscheinlich, aber ebenfalls möglich: CDU-Grüne-FDP, SPD-Grüne-FDP und SPD-Grüne-LINKE.

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