Fritz Teufel ist tot.

Mit einem Tag Verspätung hat uns die Nachricht vom Tod des Mannes erreicht, der unter Inkaufnahme von jahrelanger Untersuchungshaft nachwies, dass bei politischen Verfahren in der BRD keinerlei juristische Objektivität existiert. Eine sehr traurige Nachricht.

Fritz Teufel auf seine Rolle als Urvater der Spassguerilla zu reduzieren, wurde und wird ihm nicht gerecht. Zwar entstanden in seinem Umfeld Ende der sechziger Jahre Aktionsformen, die noch heute manchen Lustaktivisten vor Neid erblassen lassen, und viele kennen heute nicht mehr aus seinem Leben, als jenes legendäre, während einer Gerichtsverhandlung Ende 1967 gefallene Zitat von der „Wahrheitsfindung“, doch seine politische Hauptrolle war eine andere.

Fritz Teufel spielte sie in einem Verfahren, dass der Staat wegen angeblicher „führender Mitgliedschaft in der ‚Bewegung 2. Juni‘“ und angeblicher Beteiligung an der Entführung des Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz 1980 gegen ihn führte. Nach über 1.700 Tagen Haft, nach 178 Tagen Verhandlung und nach bereits geführten Plädoyers – der Staatsanwalt forderte für Fritz Teufel 15 Jahre Haft – präsentierte der Angeklagte ein lückenloses Alibi für den Tatzeitraum. Er war während der Entführung unter dem Namen „Jörg Rasche“ mit „der Produktion von Deckenrastern und gelegentlich auch Scheisshausbrillen“ beschäftigt – weit weg von Berlin. Fritz Teufel hatte während der Aktion der “Bewegung 2. Juni” – der einzigen erfolgreichen Gefangenenfreipressung jener Jahre – in der Nachbarschaft Wuppertals, bei der Presswerk AG in Essen gearbeitet.

Vor Gericht erklärte er lapidar: „An jenem schönen Donnerstag, als Peter Lorenz gegen neun Uhr in Zehlendorf geklaut wurde, bin ich etwa um dieselbe Zeit in Frintrop aufgewacht, erfuhr etwa gegen elf Uhr durch die Rundfunknachrichten von der Entführung des Peter Lorenz … und schwang mich wie immer bei Mittagsschicht um Viertel nach eins aufs Mofa, um rechtzeitig im Betrieb zu sein.“ Die gesamte Anklage gegen Fritz Teufel entpuppte sich als Konstruktion. Mit Teufel als Wunschtäter, mit Indizien, die keine waren, und mit einer bereits vorab feststehenden Verurteilung. Fritz Teufel hatte ein Alibi, um dass er die ganze Zeit wusste. Dieses solange zu verschweigen, bis am Unrechtssystem der „Terroristenprozesse“ – von der Vorermittlung bis zur Isolationshaft, vom ersten Verhör bis zum Urteil – keinerlei Zweifel mehr bestehen konnten, war ein hoher Preis. Vier Jahre Untersuchungshaft sind keine Spassaktion. Ob es sich gelohnt hat, Staatsanwaltschaft und Justiz unter Aufgabe der eigenen Freiheit vorzuführen, bleibt fraglich. Es wäre ihm zu wünschen, dass wenigstens in den nun publizierten Nachrufen an diese Geschichte erinnert würde.

Wie wenig der hohe persönliche Einsatz Fritz Teufels an der Praxis der politischen Justiz in Deutschland tatsächlich geändert hat, konnte in den kürzlichen Verfahren gegen angebliche Mitglieder der mg (millitanten gruppe) besichtigt werden, bei denen ein Zuhause gelassenes Mobiltelefon schon mal als „konspirative Vorbereitung“, oder die Verwendung des Wortes „Gentrification“ in akademischen Aufsätzen als starkes Bekennerindiz gewertet wurden.

Fritz Teufel, der bis zuletzt zu den Aufrechten gehört hat, war schwer an Parkinson erkrankt. Er wurde nur 67 Jahre alt. Ein wahrscheinlich letztes Interview führte Fritz Teufel im Januar diesen Jahres mit dem Tagesspiegel. Ein lesenswertes Dokument. Auch zuletzt waren von ihm keine wohlfeilen Distanzierungen zu haben. Danke dafür.

„Jedes Herz ist eine revolutionäre Zelle!“

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  1. redaktion sagt:

    Nachruf von Bommi Baumann (“junge Welt” v. 12.07.2010)

    Eine gewisse Weitherzigkeit
    Zum Tod von Fritz Teufel

    Bommi Baumann

    Fritz Teufel lernte ich kennen, als er 1967 aus dem Knast kam. Der erste Satz, den ich von ihm hörte, war: »Du hast hier in meiner Kommune gewohnt«. Das war nicht nur Humor, sondern eine gewisse Weitherzigkeit. Er war nicht so verklemmt und verstiegen wie der Rest der Kommune 1, in die ich mittlerweile eingezogen war.

    Man hatte Fritz am 2. Juni 1967, als Benno Ohnesorg erschossen wurde, verhaftet. Er wurde als »Rädelsführer« der Demonstranten gegen den Schah-Besuch festgenommen, obwohl er nur murrend auf dem Boden gesessen hatte – wie soll man da Steine werfen? Das war typisch: Karl-Heinz Kurras, der Ohnesorg auf dem Gewissen hatte, wurde im November freigesprochen, aber Fritz Teufel saß bis kurz vor Weihnachten im Gefängnis.

    Als er einfuhr, war ich sozusagen sein Ersatzmann bei der K1. Da lebten dann Rainer Langhans, Dieter Kunzelmann, Antje Krüger und ich. In dem Sommer machten wir Aktionen wie »Treibt Moabit den Teufel aus«, stürmten Theatervorstellungen und warfen »Freiheit für Teufel«-Flugblätter ins Publikum. Anna Magnani hat dazu sogar Beifall geklatscht, als sie »La Lupa« spielte und wir auftauchten.

    Durch die Aktionen für Fritzes Freilassung wurde die K1 noch bekannter. Sie war damals so etwas wie eine Schaltzentrale der Revolte, obwohl sie schon aus dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) ausgeschlossen worden war. Kunzelmann spielte den großen Chef, aber Teufel und Langhans waren die Aushängeschilder für die Presse. Der kleine Teufel und der große Rainer mit seinem Afro – sie waren sozusagen Max und Moritz der Antiautoritären, Ikonen der Befreiung. Denn die Justiz hat immer nur die beiden angeklagt, und Kunzelmann, Ulrich Enzensberger oder Volker Gebbert in Ruhe gelassen.

    In der K1 hatte der Publizistikstudent Fritz Teufel die Idee gehabt, ein eigenes Pressearchiv anzulegen. Jeden Morgen wurden alle Zeitungen gekauft und beim Frühstück rumgereicht, das war eine kleine Analyse des kommenden Tages. Die Zeitungen wurden ausgewertet nach 23 Rubriken wie »Vietnam«, »spektakuläre Kriminalität« oder »SDS«. Die Artikel wurden angestrichen, ausgeschnitten, aufgeklebt und eingeheftet. Damals habe ich das Zeitunglesen und vor allem das Zeitungverstehen erst gelernt.

    Es ging der K1 konstant darum, möglichst viel politische Erregung zu produzieren. Ob aber Langhans und Teufel richtige Freunde waren, ist für mich schwer zu beurteilen. Nach ihren Auftritten wurde in der K1 immer Mannöverkritik geübt. Denn diese Auftritte vor Gericht waren ja nicht lässig improvisiert, sondern hatten etwas Zwanghaftes. Das war nicht so, daß die beiden zum Gericht gegangen wären, um einen Spruch abzuliefern und wieder nach Hause zu trotten. Sie sollten Wirbel verursachen. Für Karl Pawlas Aktion, in den Gerichtssaal zu scheißen, wurde richtig geübt mit Abführtabletten und Stoppuhr. Das war ganz minutiös geplant und nicht einfach spontan. Das hat nur nach außen so ausgesehen. Man kann also sagen: In der K1 war alles ziemlich Spitze auf Kante, ob unter den Bewohnern überhaupt einer mit dem anderen im emphatischen Sinne befreundet war, da bin ich mir gar nicht so sicher.

    Ihre berühmteste Aktion war das Puddingattentat auf den US-Vizepräsidenten Hubert H. Humphrey im April 1967 bei dessen Westberlin-Besuch. Leider ist es schon vorher aufgeflogen, was sie dem Spitzel Peter Urbach zu verdanken haben. Die Polizei durchsuchte die Kommune und posaunte anschließend herum, sie hätte dort Sprengstoff gefunden, doch es war nur Puddingpulver – ein genialer Scherz.Urbach ging in der Kommune ein und aus. In der Nacht nach dem Attentat auf Rudi Dutschke am Gründonnerstag 1968 hatte Urbach Fritz und mich eingeladen, in sein Auto, in dem lauter Molotowcocktails waren, einzusteigen: »Kommt Leute, wir stecken etwas an!« Dann sind wir zur Oper gefahren, um sie anzuzünden. Aber wir fanden dort keine Steine, um die Fenster einzuschmeißen, und haben es dann irgendwann sein lassen. Hätten wir da irgendwas gemacht, hätte uns der Urbach auch wieder angeschissen. Er und seine Hinterleute wollten vermutlich wissen, wer bereit ist, was zu machen, wer wirklich losgeht.

    Fritz Teufel war auf jeden Fall mehr als der Clown, zu dem ihn die bürgerlichen Medien in ihren Nachrufen stilisieren. Er war nicht nur lustig, sondern auch sehr praktisch. 1969 war er beim »Knastcamp von Ebrach« dabei und dann bei den »Tupamaros München« rührig. Er ist später in die illegalen Wohnungen der Bewegung 2. Juni gegangen, um die Leute zu warnen. Er ist aus dem Knast gekommen und hat uns sofort wieder geholfen, das hätten andere Leute wahrscheinlich nicht getan.

    Wenn er sich erst mal hinter eine Sache gestellt hat, dann war er rigoros, aber ohne dabei verbiestert zu sein. Das war das Tolle. Er war ein Moralist, aber nicht nervig moralistisch. Er hatte eine angeborene Komik, agierte damit aber dezent, nicht so Hoppla-hier-komme-ich wie Kunzelmann oder Andreas Baader. Aber Fritz konnte auch laut werden, er konnte sich schon einmischen, wenn’s um die Sache ging. Meistens aber kam er locker rüber, mit irgendeinem Spruch auf den Lippen. Die Studenten nannte er »blitz gscheite Unideppen« oder auch »graue Intelligenzler«. Das war eben nicht dieser Akademikersprech, sondern die Suche nach Verständlichkeit, um die Dinge pointiert vorzutragen. Er wußte, wie man mit Sprache umgeht und servierte einem kein Sonderangebot von Sprechblasen.

    Daß er aus Schwaben stammt, hat man dabei kaum gehört. Er kommt aus Ludwigsburg, das ist bei Stuttgart. Da kommt auch Horst Köhler her, die sind sogar derselbe Jahrgang.

    Ich habe ihn später gefragt: Warum bist du in den Wedding gezogen? »Weil ich da verhaftet wurde«. Das war 1975 in einer illegalen Wohnung, mit Pistole und abgesägter Schrotflinte. Mit dem Ding konnte man einen Motorblock durchsieben, das war nützlich, wenn du verfolgt wurdest. Fritz wurde von den Ermittlungsbehörden vorgeworfen, er wäre an der Entführung des Peter Lorenz beteiligt gewesen. Er ging wieder ins Gefängnis und fünf Jahre später, als im Lorenz-Prozeß die Urteile gesprochen wurden, legte er sein berühmtes Alibi vor, daß er im Tatzeitraum gar nicht in Berlin gewesen sein konnte, weil er in einer Essener Fabrik gearbeitet hatte. Das nannte er sein »B-libi.« Der Staat war sehr durcheinander und völlig desavouiert – super peinlich. Als ein Staatsanwalt mal kundgetan hat, daß es nicht verwunderlich wäre, wenn man mit dem Nachnamen »Teufel« im Gefängnis landen würde, hat Fritz einen Brief aus dem Knast mit den Worten unterschrieben: »Still schäm ich mich in meiner Zelle – Fritz Teufel, Ausgeburt der Hölle.« So denkt der Staat ja wirklich.

    Die fünf Jahre bis zur Bekanntgabe seines »B-libis« hätte er sowieso absitzen müsen, wegen verschiedener Vorwürfe wie illegaler Waffenbesitz, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung undsoweiter. In Essen war er mit anderen vom 2. Juni gelandet, das war gewissermaßen eine Art Außenstelle. Die wollten Fabrikarbeit und Guerilla kombinieren, etwa in die Richtung, wie das die Roten Brigaden in Italien vorexerziert hatten, als sie illegale Betriebsgruppen gründeten. Das hat sich aber hierzulande nicht so entwickelt.

    Als Fritz freigelassen wurde, ist er nach London gegangen und Bäcker geworden. Gerade, als ich dort verhaftet wurde. Da haben wir uns knapp verpaßt.

    Viele dachten, Fritz Teufel wird jetzt der neue Wolfgang Neuss. Die kannten sich auch, aber Fritz Teufel hatte keine Lust auf Klischees. Er war kein Entertainer, sondern ein Mensch mit Humor. Er ist dann nach Berlin zurückgegangen und Fahrradkurier geworden. Im Fahrradfahren steckte für ihn ein Moment von Freiheit. Schnelles Radeln in der Großstadt hat ja auch einen leichten Touch von Guerilla. Fritz Teufel war der einzige, den ich kannte, der zugegeben hat, daß er ein abenteuerliches Leben führen wollte. Doch er wußte: Solidarität ist nicht nur ein Spruch vom Politverein, sondern gegenseitiges Helfen und Tun.

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