An diesem Montag, 02.08., beginnen wir unsere Themenreihe mit Filmen im Open-Air-Kino „Talflimmern“ in der Alten Feuerwache an der Gathe in Wuppertal-Elberfeld. Das Programm: ab 19.30 Uhr – Einführende Diskussion mit Knut Unger zum Thema „Gesäuberte Städte“; ca. 21.00 Uhr -Beginn der Filmvorführungen. Wir sehen: Trailer Ecümenopolis (11 Min), Istanbul Çıplak – Istanbul Is Naked (60 Min), No Pass to Demolitions (8 Min), Dear Mandela (30 Min)
Update: Findet bei jedem Wetter statt!!! Das Open-Air-Kino verfügt über ein Planendach.
Der Kampf um das RECHT AUF STADT ist ein weltweiter. Wenn auch die Forderungen und Probleme sich teilweise deutlich voneinander unterscheiden, so ist den Kämpfen eines gemeinsam: Der Neoliberalismus als Gegner, der die würdige Existenz für alle Menschen in seiner Agenda nicht vorsieht. Wir beschäftigen uns an diesem Montag mit verschiedenen Formen des Kampfes um ein RECHT AUF STADT am Beispiel der zwei Metropolen Istanbul / Türkei und Durban / Südafrika.
In Istanbul führten BewohnerInnen des Roma-Viertel Sukulele gemeinsam mit Künstlern und Musikern einen langen und am Ende leider erfolglosen Kampf um ihren Stadtteil. Mit dem Untergang von Sukulele verloren die Menschen der „Kulturhauptstadt“ Istanbul nicht nur ihre Lebensgrundlage, sondern auch ein wichtiges Stück wahrer Kultur jenseits von kommerziellen Mega-Events. Der Hauptfilm des Abends, die 60-minütige Dokumentation „Istanbul Çıplak – Istanbul Is Naked” (in türkisch mit deutschen Untertiteln) berichtet vom Kampf um Sukulele und von der Zerstörung des Stadtteils. Ergänzend zum Hauptfilm zeigen wir zwei kürzere Trailer, die sich ebenfalls mit Vertreibung und dem Widerstand dagegen beschäftigen.
Abschliessend kommen wir – weil zum Thema passend – nochmals auf den Besuch der beiden Abahlali-AktivistInnen aus Durban (Südafrika) zurück, mit denen wir Ende Juni über Möglichkeiten internationaler Solidarität in unseren urbanen Kämpfen gesprochen hatten. Zur Situation der „Bewegung der HüttendorfbewohnerInnen“ in Südafrika gibt es Neuigkeiten – erfreuliche, wie auch weniger erfreuliche. Wenn die Zeit es zulässt, zeigen wir an diesem Montag zum Abschluss unseres Themenabends den halbstündigen Film „Dear Mandela“, den wir bei unserem Treffen mit Abahlali auf dem Schusterplatz vor gut einem Monat leider nicht mehr vorführen konnten. (Original mit englischen Untertiteln)
Zur einführenden Diskussion mit Knut Unger über die Forderungen nach einem RECHT AUF STADT:
Seit einigen Jahren wird der Slogan DAS RECHT AUF DIE STADT mehr und mehr zu einer lockeren Klammer für sehr vielfältige städtische Sozialbewegungen in vielen Ländern der Erde. Der Grund dafür ist sicher nicht ein ausgearbeitetes Konzept, sondern das überall wachsende Bedürfnis, die zersplitterten, lokalen Stadtkämpfe in Beziehungen zu einander zu bringen und dem herrschenden Modell einer Weltstadt des Profits „Schreie und Forderungen“ (H. Lefebvre) nach einer anderen möglichen Stadt entgegen zu setzen. Dieses Bedürfnis entspringt nicht zuletzt der puren Not. Mittlerweile lebt die Mehrheit der Weltbevölkerung in Städten und davon ca. 1 Mrd. in Elendssiedlungen, meistens informell errichteten Hüttenansammlungen.
Unter Missbrauch von UN-Slogans wie „Cities without Slums“ werden diese Siedlungen dort, wo sie kapitalistischer Stadtmodernisierung, privater Bodenaneignung oder auch nur dem ästhetischen Empfinden einer bessergestallten Klasse im Weg stehen, beseitigt. Aber nicht nur in Asien und Afrika haben die Zwangsräumungen zugenommen. Auch in Nord-Amerika und Europa kommt es zu dramatischen Vertreibungen von ärmeren Menschen aus ihren Wohnungen und Stadtvierteln.
Ein Modell für die gesäuberte Weltstadt der Zukunft stellt zur Zeit die größte Metropole Europas dar. Istanbul hat inzwischen mindestens 16 Millionen EinwohnerInnen und viele Millionen mehr werden noch erwartet. Die Folge: gigantische Wohnungs-, Verkehrs- und Wasserversorgungsprobleme. Die Zeiten informeller Lösungen, zum Beispiel durch Selbstbausiedlungen („Gecekondus“), sind vorbei. Stadt und Staat setzen auf einen gigantischen Masterplan, der die ganze Marmara-Region radikal umkrempelt. Dieser Plan ist zugleich autoritär, modernistisch, „islamistisch“ und „neo-liberal“. Sein Inhalt ist nicht nur die funktionalistische Zerschlagung der wild gewachsenen „SELF-SERVICE-CITY“ und die Realisierung gewaltiger Bodenwertsteigerungen durch Finanz- und Staatmonopole.
Es geht zugleich um die Schaffung einer neuen Norm für einen Stadtbürger, der sich auf herausbildende Lebensstile neuer „islamistischer“ Mittel- und Oberschichten bezieht und mit der regierenden AKP an der politischen Macht beteiligt ist. Was dieser zugleich kulturellen, sozialen und räumlichen Norm widerspricht, wird ausgegrenzt, vertrieben und abgerissen. Ziel der Vertreibung und Zerstörung sind im Grunde alle informelle Wohn-, Handels- und Arbeitsformen, Altstadt-Viertel ebenso wie Arbeitersiedlungen aus den 60er Jahren, sunnitisch-islamistische Selbstbausiedlungen ebenso wie die von Linksradikalen kontrollierten Stadtviertel. In all diesen Gebieten kommt es zu manchmal militanten Widerständen. Der Versuch, diese Widerstände zu einer wirksamen Gegenmacht zu vernetzen, steht – auch wegen der politisch stark zersplitterten Linken – aber immer wieder erneut vor dem Anfang. Auch vor diesem Hintergrund ist die teilweise erfolgreichere Selbstorganisation städtischer Armer in einigen afrikanischen Ländern trotz ungleich elenderer Bedingungen ermutigend. (Knut Unger)