Am Montag, den 23.05. werden zur nächsten Sitzung des Wuppertaler Stadtrates mehrere Gruppen gleichzeitig Protest-Kundgebungen durchführen. Treffpunkt ist der Rathausvorplatz in Barmen um 15 Uhr. Verschiedene Aktionen und Proteste ziehen sich durch den ganzen Tag. Das Aktionsbündnis basta! nutzt diesen Tag, um Solidarität mit den vielen in Spanien Demonstrierenden zu bekunden.
Kommt alle! Echte Demokratie jetzt!
¡Democracia Real YA!
Als verschiedene Gruppen Kundgebungen für diesen Montag in Barmen angemeldet haben, war’s eigentlich noch wie immer in den letzten Monaten. Zwar gab es Empörung und Frust über bittere städtische Einsparungen im Kinder- und Jugendbereich und Sorgen um geschlossene Jugendzentren und präventive Jugendarbeit. Es gab Wut über einen immer weiter verzögerten Ausstieg aus der Atomenergie und verweigerte Gespräche seitens der etablierten Politiker. Doch es fehlte die Überzeugung, dass diese Empörung und Wut eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht werden kann, denn vielfach hatte sich zuletzt eine eher resignierte Stimmung ausgebreitet. Das tausendfach wiederholte Märchen einer „alternativlosen Politik” zeigte zunehmend Wirkung. basta! unterstützte natürlich trotzdem alle angekündigten Proteste. Das ist doch klar – treten die Anmelder und Anmelderinnen doch für Anliegen ein, die für uns als Aktionsbündnis wesentlich sind.
Doch seit Anfang letzter Woche sind die Dinge in Bewegung geraten. Seitdem in Spanien zehntausende beinahe täglich auf zentrale Plätze strömen und dort campieren, um ihre Wut und ihre Empörung über die herrschende Politik zum Ausdruck zu bringen, macht sich in Europa Aufbruchstimmung breit. Immer schneller verbreiten sich Blogeinträge, Tweets und Facebook-Seiten zu den Schlagworten #spanishrevolution, #frenchrevolution und auch #germanrevolution in den unendlichen Weiten des Internets. Auf dem offenen Etherpad der Piraten wird längst an einer überarbeiteten deutschen Fassung jenes Manifests der Demokratiebewegung gearbeitet, das in Spanien verbreitet wurde. (siehe unten)
Von Nordafrika lernen, heisst siegen lernen.
Die Ignoranz der etablierten Medien gegenüber der Ereignissen in Spanien und gegenüber der internationalen Vernetzung der Proteste befeuert nur ihre Ausbreitung und die Versuche der Herrschenden, die Lage wieder in den Griff zu bekommen erinnern zunehmend an die Reaktionen nordafrikanischer Regierungen. Sei es das ausgesprochene und dann teilweise zurückgenommene Demoverbot in Spanien, sei es der „wegen der Ausbreitung der Demokratiebewegung” gebildete „Krisenstab” (wie verräterisch!), oder auch die (freilich anders begründete) Beschlagnahme der Serverstruktur der „Piraten” in Deutschland letzten Freitag, mit der auch viele spanischen Aktivisten und Aktivistinnen ihre Proteste koordinierten. Inzwischen sind in vielen deutschen Städten Kundgebungen unter dem Motto „Echte Demokratie jetzt!” geplant und zum Teil auch schon durchgeführt worden – u.a. in Berlin, Frankfurt, München, Düsseldorf, Hamburg oder Bremen. Dabei ging es nicht nur um Solidarität mit den Spaniern und Spanierinnen, sondern es geht um eine internationale Ausrichtung des Aufstands und eine Übertragung der aktuellen Dynamik auch auf andere europäische Länder – einschliesslich Deutschlands. Nicht anders, als es die Menschen von Tunesien bis Ägypten vorgemacht haben. Von Nordafrika lernen, heisst siegen lernen.
Noch lässt sich nicht abschätzen, wie sich die Dinge entwickeln werden – vieles wird davon abhängen, wie die nächsten Tage in Spanien, Frankreich oder Deutschland verlaufen, und ob sich die spontane Begeisterung vieler auch tatsächlich in Aktionen und Protesten niederschlagen wird. Auch werfen die Entwicklungen in Tunesien und Ägypten nach den erfolgreichen Aufständen mehr Fragen auf, als duch die dortigen Bewegungen beantwortet werden können. Doch ein Anfang ist gemacht. Am morgigen Montag wollen wir nun auch in Wuppertal beginnen.
Gegen das Totsparen! Für das Recht auf Stadt! Echte Demokratie jetzt!
Die Anlässe der am Montag in Wuppertal beabsichtigten Proteste verlangen nach nicht weniger als nach „Echter Demokratie jetzt!”. Die der neoliberalen Politik der letzten Jahrzehnte geschuldeten Sparhaushalte auf allen öffentlichen Ebenen demontieren wie kaum etwas anderes die demokratische Mitwirkung der Menschen an den Umständen ihres Lebens. In Wuppertal, das bald schon komplett den Banken gehören wird, ist bereits so gut wie keine Willensbildung zu den wichtigen Fragen der Stadt mehr möglich.
Wenn zulasten junger Menschen in dieser Stadt gespart werden soll, um Haushaltsdefizite marginal abzumildern, die durch eine Politik entstanden sind, die nicht für sie gemacht wurde, dann werden die jungen Menschen nicht nur in der Zukunft die Schulden heutiger Generationen bezahlen müssen, dann zahlen sie sie schon heute – durch gefährdete Jugendzentren und gestrichene Jugendarbeit. Gefragt werden sie nicht. Dafür bräuchte es „Echte Demokratie”.
Wenn das Sparpaket des Kämmerers Schwimmbäder vernichtet, Kultureinrichtungen gefährdet oder Stadtteilarbeit unmöglich macht, dann werden die Pläne dazu erst nach der Kommunalwahl offengelegt und keine/r der Verantwortlichen stellt sich anschliessend den Bewohner_innen der Stadt. Dafür bräuchte es „Echte Demokratie”.
Wenn ein Politiker auf einem Wuppertaler Ticket in den Bundestag einzieht, wie Peter Hintze – dessen grösste politische Leistung die Erfindung der „Rote Socken Kampagne“ als CDU-Generalsekretär gewesen ist, und der schon zu seiner Zeit beim dicken König hauptsächlich durch unverstellte Dummheit aufgefallen ist – sich einem Gesprächswunsch der Atomkraftgegener verweigert, dann zeugt das von einem Demokratieverständnis, das nichts mit „Echter Demokratie” zu tun hat.
Lasst uns all das und all das andere ändern. Jetzt! Gehen wir am Montagnachmittag um 15 Uhr auf den Barmer Rathausvorplatz und in den Stadtrat und versammeln wir uns um 18 Uhr vor dem Wahlkreisbüro von Peter Hintze. Echte Demokratie jetzt! Lasst es uns versuchen.
Aufruf zur Kundgebung gegen Kürzungen im Jugend- und Kinderbereich
(15 Uhr Rathausvorplatz)
Aufruf zum Besuch von Peter Hintzes Wahlkreisbüro
(18 Uhr Lindenstr. 8 / ganz in der Nähe)
Das Piratenpad zum Thema – Diskutieren, Planen, Koordinieren
Wikispace zu deutschen “Echte Demokratie jetzt!”-Aktionen
Die Facebook-Seite “Echte Demokratie jetzt! Wuppertal”
Der Text des Manifests aus Spanien in der derzeit gültigen deutschen Übersetzung:
Wir sind normale Menschen. Wir sind wie du: Menschen, die jeden Morgen aufstehen, um studieren zu gehen, zur Arbeit zu gehen oder einen Job zu finden, Menschen mit Familien und Freunden. Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, um denjenigen die uns umgeben eine bessere Zukunft zu bieten.
Einige von uns bezeichnen sich als aufklärerisch, andere als konservativ. Manche von uns sind gläubig, andere wiederum nicht. Einige von uns folgen klar definierten Ideologien, manche unter uns sind unpolitisch, aber wir sind alle besorgt und wütend angesichts der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Perspektive, die sich uns um uns herum präsentiert: die Korruption unter Politikern, Geschäftsleuten und Bankern macht uns hilf- als auch sprachlos.
Und diese Situation ist mittlerweile zur Normalität geworden – tägliches Leid, ohne jegliche Hoffnung. Doch wenn wir uns zusammentun, können wir das ändern. Es ist an der Zeit, Dinge zu verändern. Zeit, miteinander eine bessere Gesellschaft aufzubauen. Deswegen treten wir eindringlich hierfür ein:
Gleichheit, Fortschritt, Solidarität, kulturelle Freiheit, Nachhaltigkeit und Entwicklung, sowie das Wohl und Glück der Menschen müssen als Prioritäten einer jeden modernen Gesellschaft gelten.
Das Recht auf Behausung, Arbeit, Kultur, Gesundheit, Bildung, politische Teilhabe, freie persönliche Entwicklung und Verbraucherrechte im Sinne einer gesunden und glücklichen Existenz sind unverzichtbare Wahrheiten, die unsere Gesellschaft zu befolgen hat.
In ihrem momentanen Zustand sorgen unsere Regierung und das Wirtschaftssystem nicht dafür, sondern stellen sogar auf vielerlei Weise ein Hindernis für menschlichen Fortschritt dar.
Die Demokratie gehört den Menschen (demos = Menschen, krátos = Regierung), wobei die Regierung aus jedem Einzelnen von uns besteht. Dennoch hört uns in Spanien der Großteil der Politiker überhaupt nicht zu. Politiker sollten unsere Stimmen in die Institutionen bringen, die politische Teilhabe von Bürgern mit Hilfe direkter Kommunikationskanäle erleichtern, um der gesamten Gesellschaft den größten Nutzen zu erbringen, sie sollten sich nicht auf unsere Kosten bereichern und deswegen vorankommen, sie sollten sich nicht nur um die Herrschaft der Wirtschaftsgroßmächte kümmern und diese durch ein Zweiparteiensystem erhalten, welches vom unerschütterlichen Akronym PP & PSOE angeführt wird.
Die Gier nach Macht und deren Beschränkung auf einige wenige Menschen bringt Ungleichheit, Spannung und Ungerechtigkeit mit sich, was wiederum zu Gewalt führt, die wir jedoch ablehnen. Das veraltete und unnatürliche Wirtschaftsmodell treibt die gesellschaftliche Maschinerie an, einer immerfort wachsenden Spirale gleich, die sich selbst vernichtet indem sie nur wenigen Menschen Reichtum bringt und den Rest in Armut stürzt. Bis zum völligen Kollaps.
Ziel und Absicht des derzeitigen Systems sind die Anhäufung von Geld, ohne dabei auf Wirtschaftlichkeit oder den Wohlstand der Gesellschaft zu achten. Ressourcen werden verschwendet, der Planet wird zerstört und Arbeitslosigkeit sowie Unzufriedenheit unter den Verbrauchern entsteht.
Die Bürger bilden das Getriebe dieser Maschinerie, welche nur dazu entwickelt wurde, um einer Minderheit zu Reichtum zu verhelfen, die sich nicht um unsere Bedürfnisse kümmert. Wir sind anonym, doch ohne uns würde dergleichen nicht existieren können, denn am Ende bewegen wir die Welt.
Wenn wir es als Gesellschaft lernen, unsere Zukunft nicht mehr einem abstrakten Wirtschaftssystem anzuvertrauen, das den meisten ohnehin keine Vorteile erbringt, können wir den Missbrauch abschaffen, unter dem wir alle leiden.
Wir brauchen eine ethische Revolution. Anstatt das Geld über Menschen zu stellen, sollten wir es wieder in unsere Dienste stellen. Wir sind Menschen, keine Produkte. Ich bin kein Produkt dessen, was ich kaufe, weshalb ich es kaufe oder von wem.
Im Sinne all dieser Punkte, empöre ich mich.
Ich glaube, dass ich etwas ändern kann.
Ich glaube, dass ich helfen kann.
Ich weiß, dass wir es gemeinsam schaffen können.Geh mit uns auf die Straße. Es ist dein Recht.