Dämlich oder unverfroren. Das Schuhhaus Klauser feiert 75 Jahre Arisierung. Es löst damit neben einer Negativ-PR auch die Erinnerung an dreisten, rassistisch begründeten Raub aus, der oft bis heute die Grundlage glänzender Geschäfte ist. Ähnlich des inzwischen abgewickelten Kaufhaus “Koch am Wall”, dass vor gut zwanzig Jahren das 50-jährige Jubiläum beging und mit Sonderaktionen feierte, reiht sich der Wuppertaler Schuhhändler mit Filialen in Barmen und Elberfeld in eine lange Tradition ein. Die Aneignung jüdischen Eigentums war auch vor 75 Jahren ein wohlfeiles Werbeargument (siehe Bild unten).
Der PR-Unfall: u.a. Berichte in Frankfurter Rundschau, und bei den “Ruhrbaronen”
Der Beitrag von der Website “Arisierung in Wuppertal“: (Dort finden sich auch Dokumente dazu.)
Schuhhaus Klauser feiert die „Arisierung“ jüdischer Geschäfte!
Das Schuhhaus Klauser feierte am 17. Juli 2011 ihr 75jähriges Geschäftsjubiläum. Die Schuhkette Klauser, die kürzlich alle Salamander-Geschäfte übernommen hat, verfügt heute über 80 Filialen und 1900 MitarbeiterInnen und ist nach Deichmann, Leiser und Görtz einer der Größten der Branche.“Mit Befremden stellen wir fest, dass das Wuppertaler Schuhhaus Klauser „ihr“ 75 jähriges Geschäftsjubiläum feiert,“ so der Wuppertaler Historiker Stephan Stracke. „Das Schuhhaus Klauser feiert damit die „Arisierung“ jüdischer Geschäfte! Noch erschreckender ist es, das Klauser kein Wort zum Schicksal der jüdischen Vorbesitzer verliert, die aus Deutschland flüchten mussten oder wie Emil und Pauline Rosendahl deportiert wurden und im KZ Theresienstadt den Tod fanden.“
Nach einem Pressebericht blickt das Schuhhaus Klauser „auf eine beeindruckende Firmengeschichte zurück.” Diese Geschichte beginnt nach Firmenangaben im Jahre 1936. „Mit dem Kauf des Schuhgeschäftes Kamp legt Klara Klauser im Jahr 1936 den Grundstein.” (Westdeutsche Zeitung 15. Januar 2009 u. 10. Mai 2011.) Das ist der einzige dürre Hinweis zum 75. Jubiläumsjahr, dass zur Zeit bundesweit mit Aktionswochen und Sonderrabatten “gefeiert” wird.
Nach unseren Recherchen basiert die „beeindruckende Firmengeschichte“ von Klauser auf mindestens drei „Arisierungen” von jüdischen Schuhgeschäften in Wuppertal und Witten.
Die erste „Arisierung“ ist in einem Schreiben der IHK Wuppertal vom 9.Mai 1936 unter der Überschrift “Übernahme von jüdischen Geschäften durch arische Unternehmer” dokumentiert. “Schuhhaus Walter Kamp, Schuhe (…) übernommen von Klara Klauser.”Die anderen späteren „Arisierungen“ gelingen Klauser nach durch Boykottaktionen erzwungenen Geschäftsaufgaben noch preiswerter. Im März 1938 „übernimmt” Klauser in Witten das ehemals größte Schuhwarengeschäft von Siegfried Rosenberg. Rosenberg musste nach Boykottaktionen schließen, ein Nachbargeschäft übernahm zunächst das Ladenlokal und das Inventar, drei Monate später tritt Klauser auf den Plan und übernimmt dass Ladenlokal und das Inventar. ( Quelle: Hans Ch. Dahlmann: ‘Arisierung’ und Gesellschaft in Witten, Münster 2001, S. S. 127-131)
1938 arisiert Clara Klauser den seit 1889 bestehenden “Schuhpalast” in Wuppertal-Barmen in der Berlinerstr. mitsamt Inventar und großem Warenlager. Die Gesellschafter waren Emil Rosendahl und Max Guggenheimer. Die Löschung im Handelsregister erfolgte am 27.10.1938. In der Pogromnacht hatten Nazis noch das Geschäft demoliert. Clara Klauser hatte bereits am 2.7.1938 die Genehmigung zur Übernahme der Verkaufsstelle vom Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal erhalten und laut einem Dokument das Warenlager und das Inventar des Schuhgeschäftes in der Berlinerstr. 127 „erworben“ und dort auch das neue „arische Schuhgeschäft“ begründet. In einem weiteren Dokument steht der „Schuhpalast“ von Emil Rosendahl auf der städtischen Liste der „bis zum 10.9.1938 entjudete[n] Firmen.“ (Quelle Anlage 2) http://arisierung.blogsport.eu
Für den Regierungspräsidenten als Entschädigungsbehörde war die „Geschäftsübernahme“ vom „Schuhpalast“ in einem Bescheid vom 9.9.1959 übrigens eine „Entziehung im Sinne der Rückerstattungsbestimmungen“.Die jüdischen Vorbesitzer der „arisierten“ Geschäfte versuchten in der Regel schnell Deutschland zu verlassen. Walter Kamp, der insgesamt zwei Schuhgeschäfte durch „Arisierung“ in Wuppertal verlor, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit 1936 noch einen Kaufpreis für seine „arisierten“ Geschäfte „erzielen“ können“. Er konnte 1936 mit seiner Frau und seinem 6 jährigen Sohn in die USA auswandern. Siegfried Rosenberg aus Witten wurde nach der „Arisierung“ noch in der Pogromnacht von Nazis angriffen, konnte aber noch rechtzeitig mit seiner Familie nach Südafrika flüchten. Max Guggenheimer, Gesellschafter des Schuhpalastes in der Berliner Strasse, gelang ebenfalls die Ausreise, sein Vermögen wurde aber zum größten Teil vom deutschen Fiskus (Reichsfluchtsteuer etc.) beschlagnahmt.
Nicht mehr weg kamen die schon hochbetagten Emil und Pauline Rosendahl. Sie verloren ihre Wohnung und mussten in das sog. Judenhaus in der Tannenbergstrasse umziehen. Am 20.Juli 1942 wurden sie nach Theresienstadt deportiert und starben dort nach kurzer Zeit. Die „arisierten“ Klauser-Geschäfte haben den Krieg gut überstanden und konnten im Wirtschaftswunder zum Teil an neuen Standorten wieder durchstarten. Eine Wuppertaler Klauser-Filiale ist sogar noch fast am alten Standort von Emil Rosendahls und Max Guggenheimers „Schuhpalast“ zu finden. Der „Schuhpalast“ wäre heute 122 Jahre alt geworden.
Am 20. Juli, in zwei Tagen, jährt sich auch ein anderes, ein zentrales Ereignis der Wuppertaler Stadtgeschichte: die Deportation von 247 Wuppertaler Juden nach Theresienstadt am 20. Juli 1942, unter den Opfern Emil und Pauline Rosendahl. An diesem Tag werden in Wuppertal neue Stolpersteine verlegt und ein Denkmal der Namen am Wuppertaler Denkmal für die NS-Opfer enthüllt, eine Gedenktafel mit den Namen von über 3.100 Wuppertaler NS-Opfern, mit den Namen von Emil und Pauline Rosendahl. (www.gedenkbuch-wuppertal.de)
Literaturhinweis:
Stephan Stracke/ Frank Sparing: “… dass durch den Übergang ein musterhaft geführtes, deutsches Geschäft geschaffen wird.” Die “Entjudung” der Wuppertaler Wirtschaft 1933-1938, in: Michael Okroy/Ulrike Schrader (Hg.): Der 30. Januar 1933 – Ein Datum und seine Folgen. Aktuelle Forschungen zum Nationalsozialismus in Wuppertal, Wuppertal 2004, S. 60-73