Das Dicke-Hammer-Werfen in Wuppertal

Nur angeknabbert, nicht aufgefrühstückt ist sie, die Liste der Grausamkeiten – wie OB Jung himself das Haushaltssicherungskonzept bezeichnete, das Ende 2009 öffentlich wurde und kurzfristig zu erheblicher Unruhe im Tal führte.

Konsequenz: die härtesten Klöpse wurden auf die lange Bank geschoben.

Das Sprechtheater wurde zunächst weiterfinanziert, auch die Börse und der Frauennotruf bestehen weiter…. runtergeschraubt wurde an anderer Stelle, wo die Verwaltung relativ freie Hand hat, und das Protestpotential klein war: Arbeitsverdichtung und Planstellenstreichungen in der Stadtverwaltung, Gebührenerhöhungen und zumindest ein geschlossenes Freibad waren die Folge.

Nun, fast zwei Landtagswahlen und einen Kommunalen Stärkungspakt später, tischt man uns das nächste Paket auf. Angepriesen als zwar bittere, aber wirksame Medizin. Kämmerer Slawig schwärmt vom „Licht am Ende des Tunnels“ und die SPD-MdL können sich gar nicht genug selbst auf die Schultern klopfen, weil sie mit dem Land einen so fantastischen Deal ausgehandelt haben. Tatsächlich macht Wuppertal mit einem Mammutanteil an den Stärkungspaktmitteln gegenüber Kommunen wie Hagen oder Gelsenkirchen einen wirklich guten Schnitt.

Mit der Vorlage des Haushaltssicherungsplans und des Haushaltsentwurf 2012/2013 erleben wir der Tragikkomödie namens „Die Liste der Grausamkeiten“ zweiten Teil. Über die einzelnen Maßnahmen hatten wir bereits Ende Februar berichtet.

Nun wird der Doppelhaushalt 2012/2013 mit einem Änderungsantrag von CDU und SPD beschlossen, der das Slawig´sche Sparkonzept an etlichen Spitzen und Kanten entschärft und glattfeilt, wo immer es zu sehr piekste. Auf die lange Bank wird geschoben, was zu übel weh tut, so dass am Ende alle sagen können, ganz so schlimm ist es diesmal nicht gekommen:

Der große Aufreger: das drohende Aus für das Sprechtheater – wird erneut abgewendet, indem es dem bürgerschaftlichen Engagement überlassen wird für den Erhalt zu sorgen: Die Theaterfreunde der Wuppertaler Bühnen sollen sich nun mit Unterstützung der Stadtsparkasse Wuppertal darum kümmern, dass die Kürzungen um 2 Mio./Jahr zumindest in Teilen kompensiert werden und das Ensemble überhaupt arbeitsfähig erhalten wird. Es ist ihm zu wünschen, dass ihm seine bewundernswerte Spielfreude unter diesen Bedingungen nicht abhanden kommt.

Das Schauspielhaus soll, so will es die Koalition aus SPD und CDU, privatisiert werden – aber natürlich trotzdem der Kultur erhalten bleiben. Wie das funktionieren soll, welcher kulturbegeisterte Investor in ein solches Risikogeschäft investieren sollte, bleibt das Geheimnis der Ratsfraktionen von CDU und SPD.

Kürzungen im Jugend- und Sozialbereich – hier sollten jährlich 300.000 Euro weniger fließen – sollen nun gar nicht stattfinden. Die Kürzungen der Zuschüsse für die freie Kulturarbeit sollen mit nur 50.000 Euro deutlich moderater ausfallen, als der Stadtkämmerer es vorgeschlagen hatte – dieser wollte die Kulturförderung um 130.000 Euro reduzieren. Für die Rettung der Sportvereine wird nach “Hilfe von außen” gerufen; die Einsparungen bei den öffentlichen Zuwendungen sollen durch Drittmittel ersetzt werden.

Das Ratscasino. Die Zockerei findet aber woanders statt.

Der zweite große Aufreger: Die Parkgebühren! Auch die erbosten AutofahrerInnen sollen nun nicht so viel Geld in die Parkuhren schmeißen wie angekündigt. Stattdessen sollen die Kampfhundebesitzer und Hoteliers etwas tiefer in die tasche greifen.
Ob die allerdings die nicht realisierten Kürzungen – immerhin sollte das Defizit bis 2016 ja eigentlich um 42 Mio. sinken – kompensieren können, ist dann doch etwas zweifelhaft. Egal; diese Frage stellt sich ja erst 2016.

Das Problem dabei: Bis zu diesem Zeitpunkt muss das strukturelle Defizit der Stadt auf Null zurückgefahren werden, so sieht es das Stärkungspaktgesetz vor. Bis dahin erhält Wuppertal jährlich einen Landeszuschuss von 70 Mio. Euro. Danach muss die Kommune einen ausgeglichenen Haushalt halten – ab 2016 ohne die Landeszuschüsse, die bis 2020 auf Null zurückgefahren werden.

Kämmerer und Oberbürgermeister strotzen vor Zweckoptimismus, diese Vorgaben erfüllen zu können. Aber leider beruht die Planung auf einer wirtschaftlichen Prognose, die derart optimistisch ist, dass es schon an Lächerlichkeit grenzt. Das zugrundegelegte Gutachten der Wirtschaftsagentur Ernst & Young geht von einer absolut unrealistischen Einnahmeentwicklung aus, die schon jetzt nicht mehr passt. Schon die durch Ernst & Young prognostizierten Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst, (“…nicht mehr als 1,5% jährlich bis 2016″), erwiesen sich bei den letzten Tarifabschlüssen als Makulatur. Nichtsdestotrotz ist diese Prognose Grundlage des Sparplans, den die Bezirksregierung abnicken muss.

Was den Vorteil hat, dass nun zunächst mäßige Kürzungen hier und moderate Gebührenerhöhungen dort genügen werden, um den Sparvorgaben und dem kritischen Blick der Bezirksregierung zu genügen.

Und so bleiben den WuppertalerInnen zumindest fürs Erste griechische Verhältnisse erspart. Wobei aber jetzt schon klar ist, dass entweder die Sparziele im Endeffekt verfehlt werden müssen – was gar nicht verkehrt wäre, denn: die Infrastruktur einer Kommune ist wichtiger als die Zahlungsfähigkeit um jeden Preis. Oder aber, – und das ist im Moment die wahrscheinlichere Variante – der große Kahlschlag steht uns erst noch bevor, und unsere PolitikerInnen lassen sich noch Zeit damit. Ab dem Haushalt 2014/2015 wird das vage „maybe later“ wohl nicht mehr funktionieren.

Für alles andere müssten die Kommunalfinanzen auf ganz andere Füße gestellt werden: die Steuereinkünfte müssten erhöht und die Lastenverteilung umgestaltet werden. Im Augenblick gibt es dahingehend keine politische Bereitschaft – dafür ist der Widerstand definitiv noch nicht ausreichend. Beruhigt zurücklehnen sollte sich im Tal also keiner.

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