Dokumentiert: Pressemiteilung Tacheles e.V.

Via WZ-Artikel hat Thomas Lenz, Chef der Wuppertaler ARGE, heute Kritik des Vereins Tacheles e.V. zurückgewiesen, die auf einer Umfrage unter Erwerbslosen basierte. Die eigentliche Kritik von Tacheles blieb in der WZ unerwähnt. Das holen wir hier jetzt nach und dokumentieren an dieser Stelle die Presserklärung der Erwerbsloseninitiative. Anständige Behörden gehören schließlich auch zum Recht auf Stadt.

Der Erwerbslosenverein Tacheles hat mit kollegialer Unterstützung diverser Einrichtung und Beratungstellen in Wuppertal die Zufriedenheit der Hartz-IV-Bezieher in Wuppertal erforscht und ist dabei auf schwerwiegende Mißstände in der Wuppertaler Arbeitslosenverwaltung gestoßen und stellt zudem fest, dass  die Tacheles-Erhebung gravierende Unterschiede zu den Ergebnissen einer offiziellen bundesweiten Befragung aufweist, die die Bundesagentur für Arbeit (BA) regelmäßig bei Leistungsbezieher/innen durchführt.

Pressemitteilung, Tacheles e.V., Wuppertal, 18. Mai 2010

Umfrage bei Erwerbslosen widerlegt offizielles Ergebnis der Bundesagentur für Arbeit
Die vom Erwerbslosenverein Tacheles e.V. durchgeführte „Kundenzufriedenheitsumfrage“ offenbart schwerwiegende Mängel an der Arbeit der Wuppertaler ARGE.

In dem soeben von Tacheles vorgelegten 33seitigen Bericht werden die Ergebnisse einer Umfrage dargestellt, die im letzten Quartal 2009 und im Januar 2010 bei Arbeitslosengeld II-Bezieher/innen in Wuppertal durchgeführt wurde. Mit Hilfe eines 16 Fragen umfassenden Erhebungsbogens wurden 446 erwerbslose Personen größtenteils in den Geschäftsstellen der ARGE zu ihrer Zufriedenheit mit der Wuppertaler Hartz IV-Behörde befragt.

Bei der Bewertung der Gesamtzufriedenheit mit der Arbeit der ARGE lag die Durchschnittsnote aller Befragten bei 4,6. Das schlechteste Ergebnis bei dieser Frage erzielte die Geschäftsstelle 7 der ARGE in Oberbarmen (Schwarzbach) mit dem der Notendurchschnitt 5,4. Schlechte Noten gab es auch für den Umgangston und die telefonische Erreichbarkeit der ARGE-Mitarbeiter/innen, die fachliche Beratung oder die Bearbeitungsdauer der Anträge. Weiter brachte die Umfrage zutage, dass zwei Drittel der Befragten bei der ARGE Wuppertal bereits Erfahrungen mit verloren gegangen Unterlagen gemacht hatten und dass über die Hälfte der Befragten die Wartezeit bis zur Ausstellung einer Eingangsbestätigung mit mangelhaft und ungenügend bewerteten. Die durch die Befragung ermittelten Missstände betreffen sowohl die allgemeine Situation in den Wuppertaler ARGE-Geschäftsstellen (z.B. Umgang und Wartezeit) als auch den Bereich der materiellen Existenzsicherung (z.B. Beratung/Unterstützung und Bearbeitungsdauer von Anliegen).

„Die Befragung legt insgesamt grundlegende strukturelle Mängel bei der Verwaltung der 46.500 Wuppertaler Hartz IV-Bezieher/innen offen, die für eine Sozialverwaltung untragbar sind und dringend beseitigt werden müssen,“ äußert Frank Jäger, der die Untersuchung von Tacheles leitete. „Dem kann man nur mit einer ausreichenden personellen Ausstattung mit unbefristet eingestellten Mitarbeiter/innen und einer besseren, kontinuierlicheren Schulung des Personals beikommen.“ Neben einer qualifizierten fachlichen Aufklärung und Beratung der Leistungsbeziehenden fordert Tacheles die Erreichbarkeit der Mitarbeiter/innen zu verbessern und die Bearbeitungsdauer von Anträgen zu verkürzen. Des Weiteren sei die verzögerte Auszahlung der Leistung und der Schwund von eingereichten Schreiben einzudämmen. „Außerdem bleiben wir bei unserer langjährigen Forderung, dass endlich Poststellen geschaffen werden, in denen schnell und unbürokratisch Schreiben und Belege entgegengenommen und entsprechende Eingangsbestätigungen ausgestellt werden können. Das wäre ein bedeutender Zugewinn an Rechtssicherheit für Erwerbslose“, erläutert Jäger.

Des Weiteren legt die Tacheles-Erhebung gravierende Unterschiede zu den Ergebnissen einer offiziellen bundesweiten Befragung offen, die die Bundesagentur für Arbeit (BA) regelmäßig bei Leistungsbezieher/innen durchführt. Dass die Ergebnisse der Behördenumfrage wesentlich positiver für die ARGE ausfallen, führt der Verein auf unzulässige Untersuchungsmethoden zurück. „Wir bemängeln vor allem, dass die telefonische Datenerhebung durch Mitarbeiter/innen der BA eben nicht die erforderliche Anonymität und Unbefangenheit der Befragten gewährleistet, damit diese in einer unbelasteten Befragungssituation ehrliche und unbeeinflusste Antworten geben“, erläutert Frank Jäger. „Diese Voraussetzung wäre nur erfüllt, wenn die Befragung durch ein unabhängiges Institut mit einem anonymisierten Verfahren durchgeführt würde.“ Der Verein fordert daher die Bundesagentur auf, diese für die Qualitätssicherung zentralen Kennzahlen im Rahmen einer aussagekräftigen unabhängigen Untersuchung zu ermitteln. „Anderenfalls werden die tatsächlichen Zustände in den ARGEn und Jobcentern mit einer manipulierten Statistik verschleiert“, konstatiert Jäger.

Dass ein starkes Bedürfnis an der Offenlegung der Situation in den Hartz IV-Behören besteht, wird durch das Interesse bestätigt, das die Tacheles-Umfrage hervorgerufen hat. „Unsere unabhängige ‚Kundenzufriedenheitsumfrage’ dient inzwischen als Vorlage für vergleichbare Untersuchungen, die von mehreren Organisationen im Bundesgebiet durchgeführt werden“, berichtet Jäger. „Die größte davon wird vom Diakonischen Werk in Bayern organisiert.“

Durch die nun vorliegenden Ergebnisse erhofft sich Tacheles ein gesteigertes Problembewusstsein bei den Verantwortlichen und der Öffentlichkeit. Die Untersuchung zeigt einmal mehr, dass die offen gelegten Verwaltungsmängel und die insgesamt schlechte Bewertung der ARGE Wuppertal nicht mit Verweis auf „bedauerliche Einzelfälle“ abgetan werden können. Dessen ungeachtet rät der Verein den betroffenen Erwerbslosen, sich künftig bei Behördenfehlern schriftlich zu beschweren und sich bei Problemen mit der ARGE an die Sozialberater/innen des Vereins oder eine andere kompetente Beratungsstelle zu wenden.

Hier noch einige Downloads dazu:
Diese Presserklärung als pdf-Datei
Der ganze Bericht zur Umfrage als pdf-Datei

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Ein Kommentar Kommentar schreiben
  1. redaktion sagt:

    junge Welt vom 19.05.2010:

    »Diese Studie der ARGE ist alles andere als neutral«
    Erwerbslosenverein weist nach: Offizielle Umfrage zur Zufriedenheit von Hartz-IV-Beziehern ist falsch.

    Ein Gespräch mit Frank Jäger (von Gitta Düperthal)
    Frank Jäger ist Sozialwissenschaftler und Referent für Sozialrecht und Sozialberater beim Wuppertaler Erwerbslosenverein Tacheles

    Nach einer offiziellen Erhebung der Agentur für Arbeit in Wuppertal aus dem Sommer 2009 waren nur rund vier Prozent der befragten Hartz- IV-Bezieher mit deren Arbeit unzufrieden. Der Erwerbslosenverein Tacheles kommt jetzt aber zu anderen Ergebnissen: Alle Befragten vergaben bei der »Gesamtzufriedenheit « die Durchschnittsnote 4,6: Wie kommt diese Differenz zustande?

    Das ist eine Frage der Wertung: Wenn der ARGE-Leiter Thomas Lenz sagt, nur vier Prozent seien unzufrieden, so hat er nur Hartz-IV-Bezieher erfaßt, die für Freundlichkeit die Noten »Fünf« und »Sechs« vergeben haben. Das ist aber nicht richtig, auch Leute, die »Ausreichend « – also die Note »Vier« – vergeben, sind nicht zufrieden. In unserer Studie haben wir 456 der 46 500 Wuppertaler Hartz-IV-Bezieher befragt. Während die ARGE die Note 2,3 für die Freundlichkeit der Mitarbeiter herausbekommen hat, registrierten wir die Note 4,1. In unserer Studie ist die Gesamtbenotung für die Arbeit der ARGE eine 4,6, also eine »Fünf plus«. Da kann von hoher Kundenzufriedenheit wohl keine Rede sein – und so erfahren wir es auch in unserer Beratungspraxis. Dabei spielt sicher eine Rolle, daß unsere Befragung – im Gegensatz zu der der Bundesagentur! – anonym war. Deshalb haben wir wohl ehrlichere Antworten erhalten. Im Zentrum standen unter anderem Fragen nach Wartezeiten, Erreichbarkeit der Mitarbeiter, Qualität der Beratung, Dauer der Antragsbearbeitung, Erfahrungen mit verlorengegangenen Unterlagen, Pünktlichkeit eingehender Leistungen.

    Was kritisieren Sie an der Befragung der ARGE?

    Deren Statistik wird vom Zentrum für Kunden- und Mitarbeiterbefragung der Bundesagentur für Arbeit geführt. Da hier Behördenmitarbeiter selber nachfragen, ist die Studie alles andere als neutral. Hartz-IV-Bezieher wurden zu Hause angerufen, Anonymität ist also nicht gewährleistet. Es wurden auch Fragen gestellt wie die, ob die Hartz-IV-Bezieher »ihre Eigenbemühungen erfüllen«. Spätestens nach dieser Frage ist klar, daß es hier nicht nur um eine Beurteilung der ARGE geht, sondern es werden Dinge abgefragt, die mit den Befragten selbst zu tun haben. Eine unbefangene Antwort ist da nicht mehr möglich.

    Welche Veränderungen halten Sie aufgrund Ihrer eigenen Untersuchung für dringend erforderlich?

    Die meisten Mängel haben damit zu tun, daß die ARGE in Wuppertal Personalprobleme hat: Es gibt große Arbeitsdichte, hohe Fluktuation der Mitarbeiter sowie einen hohen Krankenstand. Leistungsbezieher müssen einen ständigen Wechsel der Sachbearbeiter hinnehmen. Auch die Mitarbeiter müssen immer wieder bei Null anfangen und neue Leute einarbeiten. Das ist schon seit Jahren so und zieht auch Unzufriedenheit der Angestellten nach sich, was sich in deren Umgangston niederschlägt. So schaukelt sich die Situation permanent auf. Fazit: Die ARGE braucht mehr Mitarbeiter und Räumlichkeiten, das kostet aber Geld.

    Taucht all das in der offiziellen Untersuchung auf?

    Da schon die Zahlen irrelevant sind, kann hier auch keine realistische Lösung angegangen werden. Der Alltag in den ARGEn sieht eben anders aus, als ihn die Institution in manipulierten Umfrageergebnissen selber vorspiegelt.

    Welche Druckmittel gibt es, damit Ergebnisse der Studie nicht nur graue Theorie bleiben, sondern in die Praxis umgesetzt werden?

    Wir müssen hauptsächlich in der Öffentlichkeit Sensibilität für diese Probleme schaffen. Mainstream-Medien beziehen sich bei Hartz IV meist nur auf Einzelfälle. Es wird nicht gesehen, daß die Verwaltung schlecht funktioniert und daß das politisch so gewollt ist. Wir wollen eine Debatte darüber in Gang setzen, ob diese von der Bundesagentur selber eingeleitete Untersuchung zulässig ist. Denn es handelt sich ja quasi um eine Umfrage, die als Eigenwerbung eingesetzt wird – eben mit den entsprechenden Zahlen, die ins Konzept passen. Unsere Umfrage zeigt auch insofern Wirkung, als sie Auslöser für eine Internet- Blitzumfrage der Lokalzeitung Wuppertaler Rundschau war. Danach waren 49 Prozent unzufrieden mit der Arbeit der Behörde. Unsere Umfrage wird von anderen Initiativen und Organisationen übernommen und durchgeführt, unter anderem vom Diakonischen Werk in Bayern. Es hat sich also schon gelohnt. Die Zustände in den ARGEn sind eine Zumutung – und wenn sie scheinwissenschaftlich mit falschen Zahlen geschönt werden, ist das skandalös.

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