basta!-Sommerkino: Läuft der Aufstand schon?

Das war ein guter Anfang für unser basta!-Sommerkino am letzten Montag – kein Regen, viele interessierte Gäste, eine beeindruckend gefilmte Dokumentation zur Entwicklung Istanbuls, die eigentlich eine Zerstörung ist, und eine lehrreiche Einführung ins Thema von Knut Unger. Sogar die Skype-Verbindung nach Istanbul kam zustande. Leider kam das Gespräch mit dem Regisseur von “EKÜMENOPOLIS”, Imre Azem, und mit einigen bei der urbanen Bewegung IMECE Aktiven technisch etwas unter die Räder. Aber sie waren zu hören, ebenso, wie der Istanbuler Strassenlärm vor ihrem Fenster. Für einen Moment lag das “Talflimmern” Montagabend irgendwo am Bosporus.

Am nächsten Montag soll es so weitergehen. Diesmal widmen wir uns den aktuellen Revolten in Nordafrika und Südeuropa. Unter dem Titel “Läuft der kommende Aufstand schon?” wollen wir diskutieren und im Anschluss zwei Filme von Kostas Kolimenos sehen. Für Getränke und Essen ist wohl wieder gesorgt und der Eintritt ist frei. (Spende für Getränke, Essen und Eintritt erbeten)

Montag, 18. Juli 2011 – Open Air-Kino Talflimmern im Innenhof der Alten Feuerwache an der Gathe in Wuppertal-Elberfeld. Beginn der Veranstaltung: 21 Uhr, Beginn der Filme: Nach Einbruch der Dunkelheit. Die Veranstaltung findet auch bei Regen statt. Es gibt ein mobiles Regendach.


Proposal

Im Jahr 2005 brennen in Frankreich die Vorstädte. Zumeist getragen von mirgrantischen jungen Franzosen und Französinnen, finden in den Banlieues der Städte teils wochenlange Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht statt.

Die bürgerliche Reaktion auf die Revolte der Vorstädte schwankt zwischen der Brutalität der Rechten, die unter der Führung des heutigen französischen Staatspräsidenten Sarkozy die Viertel “auskärchern” wollen, und einer “wohlmeinenden” Kritik bei der etablierten Linken, die jedoch nichts anderes als Verständnislosigkeit dokumentiert.

Ende 2008 erreichen die – von der bürgerlichen Presse so genannten – “Krawalle” dann mit Athen erstmals die Innenstadt einer europäischen Metropole. In die tagelangen Auseinandersetzungen nach dem Tod des Schülers Alexandros Grigoropoulos bringen sich viele junge neue Akteure in die Auseinandersetzungen ein, die bis dahin nicht sehr oft in Erscheinung getreten waren. So betreten auch in Griechenland bei den Kämpfen im Athener Stadtzentrum viele migrantische junge Menschen und desillusionierte junge Griechen und Griechinnen erstmals die politische Bühne der bürgerlichen Wahrnehmung.


Die staatliche Reaktion darauf ist brutal, gerade auch gegenüber den Migranten und Migrantinnen. Die europäische Linke reagiert eher reflexhaft als differenziert.

Drei Jahre später kommt es in Tunesien zu einem Aufstand, der seit Jahren schwelte, aber in dieser Form von kaum jemandem erwartet wurde. In Tunis und in anderen Städten des Maghreb – dem kulturellen Background vieler der Migranten und Migrantinnen in den französischen Vorstädten – kommt es zu Massenprotesten. Auch hier wird der Protest vielfach nicht von den traditionellen Oppositionsgruppen getragen, sondern von einer breiten Schicht der Bevölkerung. Für die Medienaufmerksamkeit sorgen auch in Tunis oder Kairo junge, gut ausgebildete aber perspektivlose Menschen, die sich als Bürger und Bürgerinnen ihres Landes verstehen. Es kommt zu massiven Polizei- und Armeeeinsätzen mit vielen Toten. Der tunesische Aufstand ist letztlich erstmal erfolgreich – der Diktator Ben Ali verlässt das Land. Und auch in Ägypten kommt es zu einem Regierungswechsel, nachdem sich die Armee zunächst nicht gegen das Volk in Stellung bringen lässt.

Die Reaktion der Medien und der in Europa Regierenden, die in den Banlieues und in Athen noch ausschliesslich “Horden” am Werk sahen, ist überraschend. Nach einer kurzen Schreckphase werden die Proteste in der arabischen Welt für den “demokratischen Wertekanon” vereinnahmt, die Aktivisten und Aktivistinnen der Bewegung zu “tapferen Demokraten” erklärt. Die europäische Linke tut sich bis heute schwer, eine Haltung zum “arabischen Frühling” zu entwickeln.

Doch das Tempo verschärft sich. Nur wenige Monate nach den Aufständen in Tunis und Kairo besetzen tausender junger Spanier und Spanierinnen Plätze in den grossen Städten. Die Protestwelle, die in Athen 2008 erstmals ein Stadtzentrum erreicht hatte, kehrt nach einem Umweg durch die südliche Mittelmeerstaaten in den Westen Europas zurück und lässt sich in zentralen Innenstadtbereichen sogar nieder. Es wird gezeltet. Kurze Zeit später erreicht sie auch wieder Griechenland anlässlich der Proteste gegen das EU-Spardiktat für das Land.


Die Reaktion darauf fällt diesmal ambivalenter aus und besteht hauptsächlich in dem Versuch, “radikale” und “gemässigte” Demonstranten zu spalten. Vielfach geschieht dies durch brutale Polizeieinsätze – etwa in Barcelona oder Ende Juni in Athen. Bislang ist es noch nicht gelungen, die Bewegungen zu trennen. Die Linke macht angesichts der Massenproteste noch immer einen unentschlossenen Einruck. Teilweise sucht sie Anschluss an die entstehenden neuen Basisstrukturen der Camps, teilweise geht sie auf Distanz zu den Protestierenden, wie die in Griechenland starke kommunistische Partei.

Übereinstimmend wird den aufgeführten Revolten jeweils ein neues handelndes Personal attestiert. In der Beurteilung des Potentials und des Charakters der Proteste gehen die Meinungen jedoch weit auseinander, gerade auch bei der traditionellen Linken – Autonomen wie Kaderparteien. Oft hat man den Eindruck, die Linke sei von den Geschehnissen ebenso überrascht wie die Herrschenden. Ist das noch Politik? Wenig scheint mehr zu passen. Sind die Revolten in den Vor- und Innenstädten ein Zeichen des “kommenden Aufstands”, den ein radikal linkes Buch eines “unsichtbaren Komitees” aus Frankreich fordert und prophezeit? Oder findet sich das Drehbuch zu den Protesten eher in einem scheinbar inhaltslosen Büchlein mit 23 Seiten “Empörung” des Altdiplomaten Stephane Hessel, das in den bürgerlichen Feuilletons teilweise hymnisch gefeiert wurde und die wohl auch deshalb den Protestierenden auf den Plätzen gerne den Beinamen “die Empörten” geben, weil sie es gerne so unpolitisch hätten wie das schmale Heftchen?

Doch wie geht das alles zusammen? Geht da überhaupt irgendetwas zusammen? Was ist da eigentlich wirklich passiert in Tunis oder Kairo? Was heisst das, wenn auf den Plätzen in Athen oder Barcelona die allzu bekannten linken Diskurse angeblich abgelehnt werden? Und was heisst das alles für die Linke in Deutschland? Reicht es noch, nach wochenlangem Ringen Soliadressen zu schreiben? Müsste nicht mehr passieren?


Über diese Frage möchten wir am kommenden Montag diskutieren. Einen Teil davon werden wir hoffentlich auch wirklich ansprechen können. Dazu haben wir mit Juliane Schumacher eine kompetente Gesprächspartnerin eingeladen. Sie hat Politik, Philosophie und Geoökologie studiert, war viel in der Welt unterwegs, hat viel Politik gemacht und bis vor Kurzem in Kairo gelebt, wo sie als freie Journalistin die dortigen Geschehnisse direkt verfolgen konnte.

Im Anschluss an die Diskussion zeigen wir zwei kürzere FIlme von Kostas Kolimenos, die sich mit dem “Weihnachtsaufstand” 2008 in Griechenland befassen, der nach der Erschiessung des fünfzehnjährigen Schülers wie ein Unwetter über die Athener Innenstadt hereinbrach. (Schrei im Dezember, 2008 und Belagerung 2010)

Die Trailer:

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2 Kommentare Kommentar schreiben
  1. redaktion sagt:

    Juliane Schumacher in der “Jungle World” zu den aktuellen Geschehnissen in Ägypten: Link: Die Generäle sollen gehen

  2. redaktion sagt:

    Sad News. Juliane Schumacher ist nach ihrer Rückkehr aus Kairo an diesem Wochenende leider heftig vergrippt. Sie wird deshalb nicht kommen können, steht uns aber dankenswerterweise trotzdem für ein Gespräch über Skype zur Verfügung. Die Informationen aus Kairo werden wir also bekommen, natürlich hätten wir Juliane aber sehr viel lieber persönlich bei uns gehabt. Wir wünschen schonmal gute Besserung!

    Die Diskussion über die Perspektiven der Aufstände findet natürlich trotzdem statt. Nach Julianes Absage wird es dabei sicherlich verstärkt um die Frage gehen, wie sich die Situation in Deutschland darstellt, wo momentan noch eher wenig passiert.

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