Samstag: Gedenkdemo in Remscheid

Am letzten Samstag, dem ersten Wochenende des neuen Jahres, wurde deutlich, dass Vieles einfach so weitergehen wird, wie im alten. Zum Beispiel die rassistische Polizeigewalt in weiten Teilen Deutschlands. «Besichtigen» und «erleben» konnten das einige WuppertalerInnen, die an der Oury Jalloh-Gedenkdemonstration in Dessau teilnahmen und die, wie die anderen TeilnehmerInnen, von den Polizisten und Polizistinnen brutal überfallen wurden. Der Polizeieinsatz brachte bekanntlich einige Menschen bewußtlos und mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. Der skandalöse und erschütternde Pfefferspray- und Schlagstockeinsatz gegen Freunde und Freundinnen eines im Dessauer Polizeigewahrsam ums Leben gekommenen Menschen steht exemplarisch für den selbstherrlichen Umgang deutscher Behördenvertreter und OrdnungshüterInnen mit Flüchtlingen.

An einen anderen Fall selbstherrlichen Umgangs mit Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten und auf ihrer Flucht in Deutschland angekommen sind, soll am kommenden Samstag eine Gedenkdemonstration in Remscheid erinnern. An jedem 14.Januar gedenken die TeilnehmerInnen Mohammad Sillah. 2007 verstarb an jenem Tag Mohammad Sillah in einem Essener Krankenhaus, nachdem ihm zuvor eine ärztliche Behandlung verweigert worden war.

Um als Flüchtling in Deutschland erbärmlich ums Leben zu kommen, bedarf es keines Polizeigewahrsams.

Wir hoffen auf eine zahlreiche Teilnahme an der Gedenkdemonstration in Wuppertals Nachbarstadt.

Treffpunkt: Samstag, 14.01. Hauptbahnhof Remscheid
Kundgebung: 15:00 Uhr, anschließend Demonstration

Gedenken an Mohammad Sillah 2011 am Remscheider Rathaus

Nachfolgend dokumentieren wir den Aufruf zur Demonstration

DEMO IN GEDENKEN AN MOHAMMAD SILLAH
Samstag, 14. Januar 2012 ‐ Remscheid Hauptbahnhof
ab 15:00 Uhr Kundgebung – 16:00Uhr Beginn Demonstration
• für freien Zugang zu Gesundheitsversorgung
• für die Schließung aller Sammelunterkünfte & Isolationslager

Anlässlich des fünften Todestages von Mohammad Sillah, rufen wir zu einer Demonstration in Remscheid auf. Wir wollen auf die Situation der Flüchtlinge in Remscheid und vor allem auf die gesundheitliche Unterversorgung hinweisen. Durch die Demonstration werden wir den Protest der Remscheider Flüchtlinge würdigen und stärken. Seit Mohammad Sillahs Tod haben sie durch kontinuierlichen und hartnäckigen Protest stückweise ihre Isolation
durchbrochen und Erfolge erzielt.

Wir haben in den vergangenen Jahren hier in Remscheid erlebt, dass der Zusammenhalt der Flüchtlinge die Stadtverwaltung Remscheid dazu brachte, einige ihrer Zermürbungsinstrumente zurückzunehmen. So wurde durch den ersten offenen Brief der Flüchtlinge vom Januar 2009 die menschenverachtende Praxis des Sozialamtes Remscheid für die Öffentlichkeit sichtbar. Die Anwesenheitskontrollen finden nicht mehr täglich sondern wöchentlich statt, „im Regelfall“ gibt es Bargeld statt Gutscheine und Krankenscheine für drei Monate. Trotzdem werden die Ausgrenzung und auch die gesundheitliche Unterversorgung in Remscheid weitergeführt. Viele können nicht den Arzt aufsuchen, den sie brauchen; psychisch kranke Menschen werden allein gelassen und sind von ihren Nachbarn im Flüchtlingsheim abhängig; immer noch weigern Hausmeister sich, in Notfällen einen Krankenwagen zu rufen. Das Lagerleben und das Arbeitsverbot machen die Menschen zusätzlich krank.

In diesem Jahr wurden wieder Flüchtlinge aus Remscheid abgeschoben. Die Abschiebung von Herrn Hari Dhatt Batt konnte nur verhindert werden, weil seine Freunde und die Öffentlichkeit sich einschalteten. Syrische und afghanische Flüchtlinge, die seit mehr als 10 Jahren hier leben, dürfen nicht hier in Sicherheit und Frieden leben und müssen in Flüchtlingsheimen wohnen. Obwohl in diesen Ländern Krieg oder Verfolgung an der Tagesordnung sind, wird diesen Menschen das Recht auf Leben in Remscheid verwehrt.

Die Demonstrationen in Remscheid legen den staatlichen Ausschluss von Flüchtlingen der Gesellschaft offen. Nicht erst durch Sarrazin oder die Morde durch die NSU ist uns das rassistische Gesicht des deutschen Staates bekannt geworden. Die Toten mahnen uns.

Mohammad Sillah durch seine Lieder, Oury Jalloh durch seine Schreie aus der Dessauer Polizeizelle und Christy Schwundeck aus dem „Jobcenter“ in Frankfurt.
Wir fordern daher alle auf, aktiv gegen Ausschluss und Erniedrigung von Menschen einzutreten und den Kampf der Flüchtlinge für ihre Würde und für das Recht auf Leben zu unterstützen.

In Gedenken an Mohammad Sillah, Oury Jalloh und alle Opfer der rassistischen Staatsgewalt! Der Spaltung der Gesellschaft von oben setzen wir Solidarität und Zusammenhalt entgegen! Für eine Gesellschaft ohne Rassismus, Ausbeutung und Kriege!

Es rufen auf: Antirassistische Perspektive Mülheim/Ruhr, Antifa Velbert, Autonome Antifa Remscheid, Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen, Transnationales Aktionsbündnis Bochum/Dortmund

Hintergrund:

Mohammad Sillah, ein junger Flüchtling aus Guinea, starb am 14. Januar 2007 im Alter von 23 Jahren. Er war Singer‐Songwriter und gab Konzerte in Guinea wie auch in Deutschland. Ein Freund von ihm sagte: „ Seine Musik ist afrikanische Kultur. Überall, wo ich sie gehört habe, habe ich gesagt, diese Musik bin ich. Von da komme ich her.“ Anfang Januar 2007 litt Mohammad Sillah unter heftigen Schmerzen. Er ging zum Arzt.

Dieser forderte ihn auf, sich zuerst beim zuständigen Sozialamt einen Krankenschein geben zu lassen. Der Mitarbeiter des Sozialamts gab ihm keinen Krankenschein, weil er sowieso das Land verlassen müsse. Einige Tage später, am 11. Januar, wurden die Schmerzen unerträglich. Mohammad Sillah ging zum Hausmeister des Flüchtlingsheims und bat ihn, einen Krankenwagen zu rufen.

Der sagte: „Wenn du schon die Treppen geschafft hast, kannst du auch alleine ins Krankenhaus gehen.“ Ein afrikanischer Flüchtling, der im selben Heim wohnte, begleitete Mohammad. Unterwegs brach Mohammad zusammen und wurde von seinem Mitbewohner auf den Schultern zum nahen Krankenhaus getragen. Drei Tage später wurde Mohammad nach Essen in einer Klinik verlegt, wo er starb.

Der Remscheider Sozialdezernent B. Mast‐Weisz bekundete anschließend Mitleid mit der Familie und versicherte, Mohammed sei niemals ein Krankenschein verweigert worden. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal nahm die Untersuchungen auf; später wurden die Akten beiseite gelegt. Wenige Monate nach Mohammads Tod fand im Oktober 2007 eine Polizeirazzia statt, um die protestierenden Flüchtlinge einzuschüchtern und sie zu kriminalisieren. Die Großrazzia wurde von den Gerichten später als rechtswidrig eingestuft.

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